Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Schokoladenmacher
Die Spanier kosteten als Eroberer die erste Schokolade im neu entdeckten Kontinent Amerika. Sie war aber dort bitter und nicht nach dem Geschmack der Europäer. Was die Spanier eher beeindruckte, war die Wirkung der Schokolade, denn sie erwies sich als nahrhaft und anregend. Im Jahr 1580 bereiteten die Spanier das erste köstliche Schokoladengetränk in Europa zu und sie waren lange Zeit neben den Portugiesen der einzige wirtschaftliche Nutzer von Kakao, eben auch weil sie das Monopol über die Kakaobohnen streng hüteten.
Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg schaffte es die Schokolade in anderen Ländern bekannt zu werden. Schokolade wurde ein begehrtes Naschgut der höfischen, adligen und gutbürgerlichen Gesellschaft und die Schokolade wurde ein Prestigegut, das sich nicht jedermann leisten konnte. Es dauerte einige Zeit bis Ende des 18. Jahrhunderts auch das Bürgertum sich der süßen Schokolade zuwandte.
Zur Herstellung von Schokoladen brauchte man Kakao, Zucker, Vanille und andere Gewürze. Kakaopulver war noch nicht im Handel (erst ab 1828), weshalb die Schokoladenherstellung mit dem Rösten der Kakaobohnen begann. Der Schokoladenmeister röstete die Bohnen in einer eisernen Schüssel unter niedrigem und gleichmäßigem Feuer, damit die Schalen abfielen. Danach erfolgte das Zermalmen der Bohnen, anfangs mit dem Mörser. Die Entnahme der Kakaobutter und ihr Ersatz durch andere Stoffe galten als eine Geschmacksverfälschung.
Gegen 1800 kannte man bereits die Gesundheitsschokolade, die mit weniger Vanille hergestellt wurde, wobei Schokoladen generell mit ein, zwei, drei oder vier Vanilleanteilen auf das Pfund Schokolade gerechnet wurden. Der jeweilige Vanilleanteil ließ den Preis der Essschokolade steigen. Die Gestaltung der Schokoladenform war verschieden, es gab sie in Figuren, Kugeln, Würfeln oder flach und rund. Gestempelte Schokolade wies auf die Herkunft aus Spanien oder Frankreich hin, denn diese Länder waren bis 1800 die größten Schokoladenproduzenten.
Eine gute Essschokolade musste braun-rot, glatt und glänzend sein, je matter die Farbe, desto schlechter der Kakao. Beim Zerbrechen sollte der Bruch glatt sein und durfte keine glänzenden Punkte vorweisen, denn dann hatte der Fabrikant die Vanille durch billigeren Zucker ersetzt. Beim Kauen sollte sich die Schokolade langsam auflösen und im Munde zergehen. Derart formulierte ein Fachbuch von 1795 die sinnlichen Kriterien für qualitativ gute Tafelschokoladen.
Aber per 1794 wurde Schokolade in Mecklenburg vermutlich kaum oder nur sehr selten hergestellt. Und wenn handgefertigte Schokolade den Gaumen erfreuen konnte, dann hauptsächlich durch die herzogliche Hofküche, in den Schlössern und Villen des Landadels oder die Schokolade wurde für die hohen Herrschaften im Ausland eingekauft.
1794 kamen im Rostocker Hafen aus Bordeaux von den französischen Kolonien in Westindien 49.907 Pfund Kaffee und 706 Pfund Rocou (Farbstoff) ein. Kakao wurde dagegen nicht importiert. Der kürzeste Weg um Kakao einzukaufen, führte zu den Händlern nach Hamburg, denn Hamburg importierte im gleichen Jahr 20.235 Pfund Kakao und 1.909.801 Pfund Kaffee.
Der Rostocker Stadtarzt Dr. Nolte schreibt im Jahr 1807 über das Verhältnis der Rostocker Bürger zur Schokolade: „Die Schokolade trinkt man zwar gern, aber nicht häufig. Sie wird von den meisten mit Milch zu einem schwerflüssigen Brei gekocht, aber dennoch speiset man gewöhnlich noch etwas Zwieback oder Kaffeebrod dazu. Im Ganzen taugt die Schokolade, welche hier verkauft wird, nicht viel.“
Von einer verführerischen Versuchung und einem zarten Genuss für den Gaumen der Bürger konnte noch keine Rede sein. Kakao wurde damals in Rostock hauptsächlich zu Naschwerk von den drei Zuckerbäckern (um 1807) der Stadt verarbeitet, weniger zu Tafelschokolade oder Schokoladen in anderen Formen.
Mitte des 19. Jahrhunderts sollte sich der Genuss von Schokolade bei den Leuten ändern. Aus dem handwerklichen Erfahrungsschatz verschiedener Berufe, die aus Mehl, Zucker, Eiern, Nüssen, Mandeln, Kakao und Gewürzen süße Lebensmittel herstellten wie Zuckerbäcker, Lebküchner, Konditoren, entstand die maschinelle Süßwarenindustrie. 1852 betrug der Gesamtimport des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin an Kakao 146 Zollzentner und an Kakaoschalen 1 Zollzentner, wovon 6 Zentner Kakao aus dem Land wieder der Ausfuhr unterlagen. Die Einfuhr an Vanille betrug 1 Zollzentner. Für das Jahr 1862 brachten die Handelsschiffe 50,2 Zollzentner Kakao aus Holland nach Rostock.
Der Kaufmann C. L. Friedrichs gründete 1864 in der Seestadt eine Schokoladenfabrik mit einem Fachgeschäft. Für 1875 weist das Rostocker Adressbuch die 2. Schokoladenfabrik an der Marienkirche 14 mit dem Kaufmann M. Rehberg auf.
Bald konnten die Bürger in Rostock verschiedenste Schokoladensorten kaufen: Nähr-Schokolade, Eisen-Schokolade, Malz-Schokolade, Magnesia-Schokolade, Reis-Schokolade, Sago-Schokolade. Und die Leute begannen ihr Geld für süße Leckereien auszugeben. Zu den Fest- und Feiertagen herrschte entsprechender Hochbetrieb in der Fertigung. Tafelschokoladen, Hohlkörper, Hasen oder Nikoläuse erfüllten die Kinderwünsche. Mithin wurde auch kein anderes Produkt so beworben wie die Schokolade, sodass aus dem anfänglichen Prestigegut nunmehr ein Konsumgut wurde.
Um 1900 wurden auch erste Schokoladenmarken wie Stollwerk und Sarotti in Rostock bekannt, eine Konkurrenz die das Geschäft belebte und Rostocker Produzenten zu neuen Kakao-Kreationen anregte. Die Firma Franz Stollwerk kam aus Köln, entstand am Rhein 1839 und produzierte ab 1862 Schokolade und die Wortmarke Sarotti aus Berlin hatte sich 1894 schützen lassen.
Die stoffliche Aufgliederung von Kakao erlaubte den gezielten Ersatz einzelner Inhaltsstoffe durch preiswertere Alternativen. Teure Kakaobutter konnte durch preiswertere tierische Fette ersetzt werden. Die führenden deutschen Produzenten schlossen sich zur Qualitätssicherung schon 1867 zum „Verband deutscher Chokolade-Fabrikanten e. V.“ mit Sitz in Dresden zusammen. Sie einigten sich 1877 alle mineralischen Stoffe, Eichelmehl, Zichorien und Runkelrübenmehl und alle tierischen Fette auszuschließen und lediglich Farbstoffe in Höhe von 2 Prozent zuzulassen. Man unterwarf sich der chemischen Analyse durch Labore und verließ sich nicht ausschließlich auf den Geschmack. Seit dem deutschen Markenschutzgesetz von 1894 war es möglich Qualitätsstandards für den Kunden durch Schokoladenmarken zu setzen.
Die Rostocker Firma C. L. Friedrichs erlebte trotz mancher wirtschaftlichen Widrigkeiten erfolgreiche Geschäftsjahre. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise ging sie jedoch dann der Pleite entgegen. Die Preise für Süßwaren waren in das Unermessliche gestiegen. Wer konnte sich da schon Schokolade leisten. 1929 stellte die Firma die Produktion um und die Fabrikräume wurden zum „Bierhaus Siechen“ ausgebaut.
Ab 1932 konnte die Schokoladenfertigung wieder aufgenommen und das Süßwarenfachgeschäft weiter geführt werden: Schokoladen und Zuckerwaren sowie Japan- und Spielwaren. 1940 war der Inhaber A. Huchthausen.
Autorin: Hannelore Kuna