Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Schuhmacher in Rostock
Die Schuhmacher waren wohl das wichtigste Leder verarbeitende Gewerbe. Schuhbekleidung wurde jeder Jahreszeit angemessen getragen, es sei denn, Kinder und einfache Leute liefen auf „Schusters Rappen“. Die Schuster zählten mit zu den ältesten und vor allem zu den größten Gewerken, sie stellten daher die größte Anzahl der Handwerksmeister, Gesellen oder Lehrlinge. So bildeten die Schuster in Rostock bis ins 17. Jahrhundert hinein gemeinsam mit den Wollenwebern, Schmieden und Lohgerbern das Viergewerk. Diese vier Gewerke standen an der Spitze aller Gewerke bzw. Handwerksämter, gegenüber dem Rat traten sie als „wortführende“ Sprecher aller Handwerker auf. Das Viergewerk besaß das Recht, wichtige Urkunden mit ihrem Siegel zu versehen, zum Beispiel im Erbvertrag von 1573 zwischen dem Herzogtum Mecklenburg und der Stadt Rostock.
Bereits im ältesten Stadtbuch von Rostock werden für die Zeit von 1254 bis 1287 auch 32 Schuster namentlich erwähnt. In den 70-er Jahren des 13. Jahrhunderts genehmigte ihnen der Rat Buden zum Verkauf der Waren auf dem Markt aufzustellen, für deren Nutzung sie an den Rat jährlich eine Abgabe von 24 Mark verteilt auf vier Raten zahlen sollten. Gleich mit den Schmieden mussten Schuster im 15. Jahrhundert für die Stadtverteidigung 40 Bewaffnete stellen. Die älteste im Stadtarchiv erhaltene Rolle der Schuhmacher stammt vom 19. August 1634. Die wirtschaftlichen Bedingungen für die Schuhmacherei blieben lange Zeit beständig, noch in der Neuzeit um 1778 sind vier Altermänner mit 71 Meistern verzeichnet. 1800 hatte Rostock nach dem Staatskalender 139 Schuhmacher, 36 Altschuster und 28 Pantoffelmacher.
Von Anfang an war dieses Handwerk sehr spezialisiert. Da gab es die Schuhmacher, die Schuhwerk in vielen Varianten herstellten. Weiter finden wir in Rostock die Pantoffel- und Klippenmacher, sie fertigten die Holzpantoffeln für Jung und Alt an. Hier im Norden gab es für sie in vielen Orten einen anderen, meist plattdeutschen Namen: Klippen-, Pantinen-, Slarn-, Glotzen- oder Tüffelmacher usw. Glotzenmacher (glossere lat.) hießen die Meister, weil die Holzpantoffeln im Vergleich zu Lederschuhen sehr grob ausfielen, wie Holz-Klotzen usw. Diese Klippen- oder Glotzenmacher zu Rostock sind seit dem 13. Jahrhundert mit einem Hennricus glossere (1282) in den ältesten Stadtbüchern nachweisbar. Ab dem 15. Jahrhundert bildeten unter den Schuhmachern die Klippenmacher sogar ein eigenes, wenn auch kleines Amt, die stellten für die Stadtwehr 5 Bewaffnete. Die älteste, im Stadtarchiv erhaltene Rolle der Pantoffelmacher stammt von 1459. Die Klippenmacher arbeiteten im Rahmen der Hanse regional zusammen. In einem Amtsrezess der Städte Lübeck, Rostock, Wismar aus dem 16. Jahrhundert bestimmten sie beispielsweise als Meisterstück: ein Paar „Klippen myt holen ledderen roet, ein Paar zu machen mit acht Riemen, sowie ein Paar Klotzen und ein Paar Sohlen.“ Diese Klippen waren eine Art Überschuhe aus Korkholz und Lederriemen, womit sie am Fuß festhielten. Die Klippenmacher nannten ihre Gesellen Knechte wie übrigens auch die Müller, was in keiner Weise abwertend gemeint war. Die Lehrzeit dauerte in der Regel drei Jahre an. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde in Rostock das Klippenmacherhandwerk mit dem Gewerk der Pantoffelmacher vereinigt. Späterhin wurden auch feine Pantoffel und Hausschuhe für die gute Stube gefertigt. 1850 arbeiteten in der Seestadt insgesamt 51 Pantoffelmacher-Meister mit ihren Gesellen und Lehrlingen, 1872 hielten noch 46 Meister das Gewerk aufrecht. Am 20. April 1886 erfolgte die Auflösung des Pantoffelmacher-Amts zu Rostock durch den Rat. Die Pantoffelmacherei wurde noch einige Jahre als freies Gewerbe betrieben.
Außerdem gab es die bekannten Altschuster (oltleppere niederdeutsch), die jegliches Schuhwerk reparierten, Schuhe in jedem Falle flickten, neu besohlten oder Absätze erneuerten. Auch sie hielten auf den Märkten Buden, für die sie nach dem Kämmereiregister von 1325 drei Mark in vier Raten zu je 12 Schillingen zahlten und sie bildeten wie in Lübeck im Mittelalter ein eigenes Amt. Vom 24. August 1620 datiert die im Stadtarchiv zu Rostock erhaltene, älteste Amtsrolle der Altschuster. 1872 arbeiteten in Rostock 16 Altschustermeister. Allgemein ist diese Dreiteilung des Schuster- und Schuhmacherhandwerks hier im Norden bis zur industriellen Schuhfertigung im 19. Jahrhundert erhalten geblieben.
Innerhalb der wendischen Hansestädte war im Mittelalter die Zusammenarbeit der Schuhmacherhandwerke über die Stadtgrenzen hinaus ausgedehnt. Grundlegende Regeln, stets zum Wohle des Gewerks wurden untereinander abgestimmt und vereinbart. 1533 trafen sich die Werksmeister aus den sechs wendischen Städten Anklam, Demmin, Greifswald, Rostock, Stralsund, Wolgast und Wismar in der Hansestadt Wismar. Man hatte wohl allerhand Probleme mit den Gesellen der Zunft, sodass die Meister mit aller Härte gegen Missbräuche vorgehen wollten. Es wurde festgelegt, dass ein Geselle, der dem Meister weglief, verklagt werden könne und er sollte binnen drei Tagen die Arbeit wieder aufnehmen. Konnte er nicht erreicht werden, wollte man den Gesellen ein halbes Jahr von Stadt zu Stadt mit einem Brief verfolgen und seine Missetat per Steckbrief, der an ein schwarzes Brett öffentlich gemacht wurde, anprangern. Jedem Gesellen der in diesen 6 wendischen Städten arbeitete, wurde außerdem das Glücksspiel mit Geld oder um Geld streng verboten. Einige hänselnde Gesellenbräuche traten aber immer wieder aufs Neue hervor. So unterschieden die Schustergesellen zwischen gereisten und nicht gewanderten Berufskollegen und die gewanderten, meinten die besseren Gesellen zu sein und aus diesem Grund einige Vorteile genießen zu können. Per 29. Dezember 1813 machte die mecklenburgische Regierung unter Herzog Friedrich Franz dem Treiben ein Ende und verbot diese Diskriminierung bei 5 Reichstaler Strafe.
Allgemein zählte das Schuhmacherhandwerk im Mittelalter zu den wirtschaftlich soliden Erwerbstätigkeiten, so brachten es die Schuhmacher von Rostock zu Ansehen unter den Stadtbürgern. Die Alterleute kauften im Jahr 1400 mit Einverständnis des Rats und des Kirchspiels in der Kirche St. Marien eine Kapelle und stellten für sich einen Priester ein. 1413 stifteten der Schuhmachermeister Klaus Moltekow und seine Frau Margareta eine ewige Messe „to der schomaker capellen“. 1428 vermachte der Schuster Arnold Grotekop der Kapelle eine Rente. 1460 verliehen die Alterleute die Vikarie in ihrer Kapelle an eine andere Person. Die alte Schusterkapelle (capella officii sutorum) in St. Marien wurde 1761 von den Kirchenvorstehern erworben, nun als Vorsteherkapelle bezeichnet und um 1900 als Archiv der Marienkirche genutzt.
Die Schuhherstellung erforderte geringe Kapitalausstattung und war mit wenigen Werkzeugen und Materialien im Vergleich zu anderen Handwerken zu bewerkstelligen. An Handwerkszeugen wurden gebraucht: Brustleder zum Körperschutz, Feile, Lochholz, Maßlade, Messer, Nähnadel, Stemmnadel, Zangen, Zwinge, Zuschneidebrett; an Verarbeitungsmaterialen Leder, Garn, Holz, Pech und Zwecken.
Als erster und wichtigster Arbeitsschritt wurde der Leisten geformt, die Nachbildung des Fußes wurde aus Holz geschnitzt. Jeder Schuhtyp erforderte einen eigenen Leisten, er bestimmte die Wölbung des Gelenks (des Mittelstücks zwischen Sohle und Absatz) und damit die richtige Gewichtsverteilung. Die große Herausforderung beim Leistenschnitzen bestand darin alle Maße zu berücksichtigen: Fußlänge, Symmetrie der Zehen, Höhe des Spanns, Umfang des Ballens usw. Denn Schuhe wurden noch nicht auf Vorrat produziert, genormte Schuhkonfektionsgrößen kannte man nicht. Jedes Schuhpaar war somit noch ein Unikat. Außerdem musste der Schuhmacher voraussehen, wie sich der Damen- oder Herrenfuß im Schuh bewegen wird. Wer beim Ausmessen schluderte, sodass später der angefertigte Schuh drückte, erwarb sich leicht den unrühmlichen Titel eines „Hühneraugenmachers“.
Anhand des Leistens konnte nun das Leder zugeschnitten werden. Zuerst das Oberleder und das Futter mit einem scharfen Messer auf dem Schneidebrett, dann die Vorder- und Hinterkappen. Alle Lederteile weichte der Schuster ein, damit sie sich gut dem Leisten anpassten. Später zog der Schuster das Oberleder straff über den Leisten, heftete es leicht an und ließ es etwa 2 Wochen lang trocknen. Erst dann konnten Sohle und Absatz mit dem Schaft verbunden werden.
Der Meister nähte Brandsohle und Oberleder zusammen, danach nähte er die Laufsohle durch die Brandsohle und befestigte abschließend den Absatz an die Brand- und Laufsohle. Als Nähmaterial diente festes Hanfgarn, das in heißes, flüssiges Pech (Harzprodukt) getaucht, fest und wasserabweisend wurde. Von der exakten, haltbaren Naht hing die Qualität des Schuhwerks ab. Das benötigte Leder aller Sorten wurde von den Gerbern der Stadt bezogen. Mitunter stellten die Schuster auch das Schuhleder selbst her, was jedoch gelegentlich zu Streit unter den Handwerksleuten führte. An technologischer Hinsicht veränderte sich an diesem Arbeitsprozess bis ins 18. Jahrhundert nichts.
Dennoch verstanden die Schuhmacher ihr Handwerk bestens. Der Schuhmacherberuf war ständig den wechselnden Moden ausgesetzt, weshalb die einen Männer-, die anderen Weiber- und die nächsten Stiefelschuster wurden. Bei Männerschuhen mit niedrigem Absatz konnte der Absatz sowohl aus Holz als auch aus Leder gefertigt sein. Bei den höheren Frauenabsätzen war schon von der „Statik“ her ein reiner Lederabsatz ausgeschlossen. Für beiderlei Geschlechter gab es so genannte „gemeine, gewöhnliche“ Schuhe mit dickem Oberleder und dicker Sohle. Natürlich gab es Tanzschuhe von dünnem Leder mit dünner Sohle, die zu solchen „Übungen, welche hurtig und geschwind vonstatten gehen müssen“ eigens angefertigt wurden. Selbst Pantoffeln waren nicht nur bequem, sondern durchaus modern. Von den Pantoffeln kannte man zweierlei Art. Einmal für draußen lederne Pantoffeln zum Hineinschlüpfen (Futterale) mit angezogenen Schuhen je für Männer und Frauen und zum zweiten die feineren Pantoffeln für beiderlei Geschlechter zur Benutzung in Zimmern und Stuben. Bei dem Bedarf lief das Geschäft. Ab dem 17. Jahrhundert bildeten die Pantoffelmacher eine eigene Handwerksgruppe.
Außer Schuhen und Pantoffel waren stets Stiefel aktuell, sozusagen als verlängerter Schuh bis zu den Knien. Der Stiefelschuster musste nicht nur die Füße ausmessen, sondern gleich die Beinlänge bis zum Knie und den Wadenumfang dazu. Diese Handwerkskunst war anstrengend, es gab kaum andere Werkzeuge zur Anfertigung, jedoch musste mehr Material und vor allem dickeres solides Leder verarbeitet werden.
Diese sehr individuelle und zeitaufwendige Handarbeit bei den Schustern wurde um 1830 erstmals durch die Erfindung der Holzstiftnagelung aus Amerika durchbrochen. Nunmehr wurde die Sohle aufgenagelt anstatt genäht. Trotzdem brauchte ein Geselle immer noch 4 Stunden um ein Paar Sohlen aufzunageln. Einen ersten Anschub zur Massenproduktion gab die Nähmaschine ab etwa 1850, welche besonders mit der zunehmenden Verwendung von Geweben für Damenschuhe die Anfertigung der oberen Teile sehr erleichterte. Ab 1868 besorgte die Schuhpflockmaschine das schnelle Besohlen mit Holzstiften. Dies waren eine zeit- und kostensparende Innovation und ein weiterer großer Impuls zur Massenproduktion. Wenig später kamen Leistenschneidemaschinen, Sohlendurchnähmaschinen, Stanzmaschinen zur Ausstechung der Sohlen nach Größen, Walzmaschinen, Absatzpresse, Schleifmaschinen und Ausputzmaschinen auf den Markt.
1872 betrieben in Rostock noch rund 200 Meister die Schuhmacherei. Wenngleich einzelne Schusterwerkstätten sich die Nähmaschine und andere moderne Maschinen zugelegt hatten, war die industrielle Fertigung in großen Fabriken und damit die Massenschuhproduktion nicht mehr aufzuhalten. Dem einzelnen Meister blieben die Genossenschaft, die individuell maßgeschneiderte Schuhanfertigung und Reparaturen am Schuhwerk, um sich der industriellen Macht zu erwehren.
Per 13. Februar 1888 gründete sich das Schuhmacher-Amt zu Rostock neu. Am 28. Juni 1902 beging das Schuhmacher-Amt seine 300-jährige Jubelfeier.
Autorin: Hannelore Kuna
Schuhmacher in Grimmen
Die Schuhmacher bzw. Schuster zählten mit zu den ältesten und vor allem zu den größten Gewerken in Grimmen, was sich in der Anzahl der Handwerksmeister, Gesellen oder Lehrlinge zeigte. In Grimmen bildeten die Schuhmacher im Mittelalter gemeinsam mit den Bäckern, Schneidern und Schmieden das sogenannte Viergewerk. Die vier Gewerke standen an der Spitze der Handwerksämter und gegenüber dem Rat waren sie die wortführenden Sprecher. Seit dem Stadtrezess von 1606 stellten sie einen Handwerksvertreter für das Kollegium der Achtmänner, das mit dem Rezess von 1685 auf 10 Mitglieder erweitert wurde.
Sie orientierten sich im Mittelalter nach den hansischen Gepflogenheiten, gleichwohl Grimmen nicht der Hanse angehörte. Deshalb ließ der Rat beispielsweise eine Kopie der Schusterzunft-Vereinbarungen der sechs wendischen Städte Anklam, Demmin, Greifswald, Rostock, Stralsund, Wolgast und Wismar von 1533 anfordern, damit die städtischen Meister sich danach richten konnten. Darin hieß es, ein Schustergeselle sollte bei einem Meister erst feste Anstellung finden, wenn er erfolgreich eine Probezeit von einem halben Jahr absolviert hatte. Man hatte wohl allerhand Probleme mit den Gesellen der Zunft, sodass die Meister mit harter Hand gegen Handwerksmissbräuche vorgehen mussten. Es wurde festgelegt, dass ein Geselle, der dem Meister von der Arbeit weglief, verklagt werden konnte und er sollte binnen drei Tagen die Arbeit wieder aufnehmen. Konnte er nicht erreicht werden, wollte man den Gesellen ein halbes Jahr von Stadt zu Stadt mit einem Brief verfolgen und seine Missetat per Steckbrief, der an ein schwarzes Brett öffentlich gemacht wurde, anprangern. Jedem Gesellen der in diesen 6 wendischen Städten arbeitete, wurde jegliches Glücksspiel mit Geld oder um Geld streng verboten.
1719 wurde die Zunftrolle der Schuster erneuert und den Erfordernissen der Zeit angepasst. In den schweren Zeiten des Nordischen Krieges war auch dieses Handwerk im Nahrungserwerb schwer geschädigt worden, aber die Meister und Gesellen hatten Anspruch auf Rolle und Siegel. Bei den Verhandlungen mit dem Rat am 26. Juni 1719 waren die Schuster durch ihre Alterleute Martin Repschläger und Christian Brand vertreten. Das Meisterstück bestand aus: 1 paar Schuhe und 1 paar Stiefeln, 1 paar Pantoffeln nach Käufer-Manier, die er hernach verkaufen konnte. Alle Anfertigungen mussten im Beisein eines Meisters geschehen.
1740 kam es zu einem Gesellenkonflikt mit der Stadtobrigkeit. Die Zunftordnung der Schuster untersagte sonntägliche Arbeit, gebot den Kirchgang und verbot strengstens jede Gotteslästerung. Aber die jungen Männer hatten nach dem sonntäglichen Gottesdienst in St. Marien zu früh, zu laut und zu feucht die Lieder in ihrer Herberge angestimmt und bekamen darauf vom „gelehrten“ Bürgermeister Thüring ein Strafe von einem Monatslohn auferlegt, wogegen heftig auch von ihren Meistern protestiert wurde. Es kam indes noch schlimmer, denn die Schustergesellen wurden auf Betreiben des Bürgermeisters von herbeigeholten Soldaten inhaftiert. Als schließlich alle Meister der Stadt ohne Arbeiter waren, musste das Problem gelöst werden und mithilfe von Bittschriften und Beschwerden an die Regierung zu Stralsund, konnten die Gesellen bald wieder an ihre Arbeit gehen.
1773 zählte die Schuhmacherzunft 33 Meister, 1778 erhielt sie eine neue Amtsrolle.
Autorin: Hannelore Kuna.
Schuhmacher in Anklam
In Anklam bildeten die Schuhmacher im Mittelalter gemeinsam mit den Wollenwebern, Bäckern, Schmieden und Tuchmachern das sogenannte Viergewerk. Die vier Gewerke standen an der Spitze aller Gewerke bzw. Handwerksämter, gegenüber dem Rat waren sie die wortführenden Sprecher. Sie hatten das Recht, wichtige Urkunden mit ihrem Siegel zu versehen. Bedeutende Entscheidungen konnte der Rat auch im 18. Jahrhundert ohne die Zustimmung der 12 Bürgerdeputierten und der Altermänner der Kaufleute, Bäcker, Schuster, Schmieden und Schuhmacher nicht vornehmen.
Innerhalb der wendischen Hansestädte war im Mittelalter die Zusammenarbeit der Schuhmacherämter über die Stadtgrenzen hinaus ausgedehnt. Grundlegende Regeln, stets zum Wohle des Gewerks wurden untereinander abgestimmt und vereinbart. 1533 trafen sich die Werksmeister aus den sechs wendischen Städten Anklam, Demmin, Greifswald, Rostock, Stralsund, Wolgast und Wismar in der Hansestadt Wismar. Man hatte wohl allerhand Probleme mit den Gesellen der Zunft, sodass die Meister mit aller Härte gegen Missbräuche vorgehen mussten. Es wurde festgelegt, dass ein Geselle, der dem Meister weglief, verklagt werden könne und er sollte binnen drei Tagen die Arbeit wieder aufnehmen. Konnte er nicht erreicht werden, wollte man den Gesellen ein halbes Jahr von Stadt zu Stadt mit einem Brief verfolgen und seine Missetat per Steckbrief, der an ein schwarzes Brett öffentlich gemacht wurde, anprangern. Jedem Gesellen der in diesen 6 wendischen Städten arbeitete, wurde außerdem das Glücksspiel mit Geld oder um Geld streng verboten.
Der Schusteraltermann Samuel Matzdorf wurde um 1448 zum Provisor (Verwalter) einer vom damaligen Bürgermeister Cölpin ins Leben gerufenen milden Stiftung eingesetzt, das noch heute existierende Gebäude in der Baustraße 13 erhielt im Volksmund den Namen „Schusterstift“. Andererseits stand das Gewerk auch unter Aufsicht und Kontrolle der Stadtverwaltung. So wie in der Stadt Usedom. Dort mahnte der Rat in der Bursprake (Bürgerordnung) von 1625 seine Schuster an, gute und tüchtige Schuhe zu machen und billig zu verkaufen, bei Verlust ihres Gewerks und des Rats Strafe.
Nach Brüggemann arbeiteten 1778 in Anklam 48 Schuster, in Usedom 15 und in Wollin 32 Schuster.
In Anklam teilte man im 18. Jahrhundert die Einwohnerschaft in drei Stände ein. Zum 2. Stand gehörten alle 38 Gewerke des Handwerks, die sich aber noch in drei Gruppen von 4, 10 und 24 Ämtern nach Rang unterschieden. Wer zu den ersten 4 Gewerken zählte wie die Schuhmacher, dünkte sich vornehmer als die hinter ihnen platzierten Amtsbrüder.
1854 arbeiteten in Anklam 115 Meister mit 100 Gesellen.
Autorin: Hannelore Kuna.
Schuhmacher zu Güstrow
Die Schuhmacher bzw. Schuster zählten mit zu den ältesten und vor allem zu den größten Gewerken in Güstrow, was sich in der Anzahl der Handwerksmeister, Gesellen oder Lehrlinge zeigte. 1516 arbeiteten hier 12 Meister mit etlichen Gesellen und Lehrjungen, 1817 waren es 42 Amtsschustermeister, 66 Freischustermeister und 6 Pantoffelmacher.
Freischuster arbeiteten auf besonderer Genehmigung des Landesherrn außerhalb der gewerblichen Zunftgemeinschaft, solche Sondergenehmigungen zu Handwerksgründungen wurden nur bei einem großen Bedarf an Handwerksleistungen erlassen. Der Eintritt in die Lehre kostete im Spätmittelalter ein Lehrgeld von einem Gulden und 1 Tonne Bier für die Gesellen und Meister, was der Vater des Lehrjungen aufzubringen hatte. Mit allerhand Aufwendungen und Unkosten war gleichfalls der Erwerb des Meistertitels verbunden. Auf einer Morgensprache musste der Geselle den Antrag stellen, und für die versammelte Mannschaft eine Tonne Bier und 2 Gerichte ausgeben. Kam er von auswärts waren 20 Gulden bar in die Lade zu entrichten, ein Einheimischer (eines Amtsbruders Sohn, Tochter oder eine Witwe) zahlte dagegen die Hälfte. Das Schuhmacherhandwerk war eines der wenigen Professionen in der ebenso wie bei den Schneidern und den Webern auch Frauen gelegentlich arbeiteten.
Die Amtsgeschäfte der Schuster leiteten ihre Alterleute, sie wurden alle Jahre umgesetzt, d. h. neu gewählt. Auch ihre festliche „Kührung“ kam ihnen teuer zu stehen. Der neu gewählte Altermann musste den 12 Güstrower Ratsherren und für vier seiner Mitmeister eine festliche Mahlzeit ausrichten. Die Alterleute regelten die alltäglichen Handwerksangelegenheiten im Gewerk, verwalteten die Lade (Kasse mit Geld und Urkunden) und hielten drei Mal im Jahr die Morgensprache ab (Zunftversammlung) ab, sie sorgten für den sozialen Frieden und religiöse Ordnung.
Auch waren die Schuster von Güstrow dem Feiern nicht abgeneigt. Insbesondere vor der Fastenzeit, die vor Ostern lag, wollte man es sich noch einmal recht gut gehen lassen. Dafür organisierten sich die Schuster eine „Fastelabendsgilde“ und an Pfingsten stets die „Pfingstgilde“ mit dem Spektakel des Königsschießen. Für die traditionellen Feste musste ein jeder, ob Meister oder Geselle sich mit Gulden und Bier zur Durchführung der Smeckkelkost (üppige Mahlzeit) beteiligen.
Von Anfang an spezialisierten sich die Schuhmacher auf die Anfertigung von Frauen- und Männerschuhen. Weiter gab es die Klippenmacher, sie fertigten die Holzpantoffeln für jung und alt an. Mitunter wurden sie auch als Glotzenmacher (glossere lat.) bezeichnet, weil die Holzpantoffel im Vergleich zu Lederwaren sehr grob ausfielen, wie Holz-Klotzen usw. Dazu existierten die Pantoffelmacher, welche mit Leder und Filz arbeiteten. Allgemein blieb diese Einteilung im Schuster- und Schuhmacherhandwerk hier im Norden bis zur industriellen Schuhfertigung im 19. Jahrhundert erhalten.
Natürlich besaßen Pantoffelmacher oder Altflicker nicht den guten Ruf und die Anerkennung eines Schuhmachers. So gelang es z. B. 1600 dem aus Schwerin kommenden Gesellen Jochim Geverdt das Schusteramt in Güstrow nicht zu erwerben, deshalb verblieb ihm die Pantoffelmacherei.
Autorin: Hannelore Kuna