Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Seefischer
Bis heute wissen die Menschen den Genuss von Fisch zu schätzen und nicht nur bei uns im Norden. Fisch gehörte traditionell zu den nahrhaften und wichtigen Nahrungsmitteln, angefangen bei den einfachen Leuten bis hin zu den höheren Ständen, besonders hier am Wasser. Der Fischfang war über viele Jahrhunderte mit anderen Gewerken fest verbunden, ja über die Spezialisierung und Arbeitsteilung erhielten und beförderten sie einander wie z. B. den Bootsbau, die Seilerei, Garnspinnerei, die Segelmacher oder die Böttcher.
Die Fischerei in Pommern an der Ostseeküste und in den angrenzenden Binnengewässern war grundsätzlich nicht frei, sondern an Rechte gebunden und stark reglementiert. Im Mittelalter zählte der Fischfang zu den herzoglichen Regalien (Privilegien) und durfte daher ohne fürstliche Erlaubnis nicht betrieben werden, der Fisch war sozusagen ein begehrter Landesschatz. Die Herzöge vergaben dann mit den Städtegründungen an die Kommunen regional begrenzte Fischereirechte und mitunter auch an Privatpersonen wie der Herrschaft zu Putbus auf Rügen und anderen hochadligen Personen.
1312 erhielt die Stadt Anklam von Herzog Wartislaw IV. die Fischereirechte für das Haff und den Peene-Fluss. Pommersche Landesverordnungen regelten seit dem 16. Jahrhundert den Fischfang nach Fischereibezirken und den verschiedenen Fangmethoden und gaben Fischschonzeiten vor. Vom reichlichen Fischfang lebten und ernährten sich nicht nur die Landsleute, bester Speisefisch bereicherte auch die herzogliche Tafel. Deshalb musste die pommerschen Fischer auch den 6. Teil vom Fang (den sogenannten Herrenfisch) der fürstlichen Küche in Wolgast abgeben. Der Fischfang, insbesondere der vom edlen Aal, war auch Ausgangspunkt für Ortsgründungen bzw. Namensgebungen beispielsweise für Ahlbeck auf Usedom und Ahlbeck an der südlichen Haffküste.
Für die strenge Einhaltung der frühen Fischereigesetze sorgten eingesetzte Amtspersonen wie der „Haffkieper“ zwischen Anklam, Usedom, Ueckermünde und Wollin. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts übernahm der preußische Oberfischmeister mit seinen untergeordneten Fischereibezirken die staatliche Aufsicht über die Fischerei.
Die Arbeit und das Zusammenleben der Fischer in Greifswald, Anklam und Ueckermünde war wie im gesamten Handwerk in Zünften und Ämtern geregelt. In Anklam gab es die Ämter der Großfischer (erste Amtsrolle aus dem 15. Jahrhundert) und der Fischer vom Peenedamm. Den Fischern vom Peenedamm stand nur der Fischfang in der Peene zu.
In dieser alten Hansezeit stand der Hering hoch im Kurs und er begründete den
Reichtum bedeutender Hansestädte. Der Hering trat im 14. und 15. Jahrhundert in großen Schwärmen hauptsächlich in der nördlichen Ostsee vor der Halbinsel Schonen und in der Nordsee vor Bergen auf. Die südlichen Ostseestädte organisierten den Heringsfang im Hansebund nach strengen Richtlinien und gründeten auf Schonen (Falsterbö und Skanör) und in Bergen mit den Vitten zentrale Fang- und Handelsplätze. Der Dänenkönig Waldemar hatte 1338 der Stadt Anklam die Freiheit der Fischerei in seinen Gewässern bestätigt. Weil der Verkauf erfolgreich florierte, gründeten sich zu seinem Großhandel Schiffer- und Kaufmannsgesellschaften. In Anklam entstand mit der „Bornholmer Burse“ eine solche Interessenvertretung.
Auf den Vitten herrschte regelmäßig ab Ende Juli, mit dem Beginn der Hauptfangzeit, ein reges und geschäftiges Treiben. Der frisch angelandete Fisch wurde vor Ort für den Handel konserviert, Dorsch wurde üblicherweise getrocknet (Stockfisch), Hering aber hauptsächlich gesalzen, sodass sie über einen längeren Zeitraum genießbar blieben. Selbst die Heringstonnen wurden auf den Vitten gefertigt, wobei dort neben den Fischern, die Böttcher, auch Seiler und Netzflicker, während der Fangzeiten arbeiteten und wohnten.
Für Recht und Ordnung sorgte auf jeder Vitte ein Vogt. Die Anklamer, Greifswalder, Lübecker, Rostocker und Stralsunder Vitten hatten ihre eigenen deutschen Vögte. Der Heringsfang im großen Stil dauerte bis Ende des 15. Jahrhunderts an, dann blieben dort die Fischschwärme aus, vermutlich durch totale Überfischung der Ostsee.
Der Beruf des Fischers wurde traditionell in der Familie weitergegeben. Eine geregelte Ausbildung gab es bis Ende der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts nicht. Nach der Konfirmation gingen die Söhne bei den Vätern in die Lehre und arbeiteten danach als Gehilfe bei ihnen oder anderen Fischern. Selbstständig wurden sie nach dem Kauf eines Bootes und der Fanggerätschaften oder durch die Übernahme des väterlichen Betriebs. Heirat und Betriebsgründung fielen oft zusammen. Die Ehefrauen der Fischer brachten sich fast überall in das Betriebsgeschehen als Hilfskräfte bei der Unterhaltung der Netze, in der Fischverarbeitung und beim Fischverkauf ein.
Die Fischfanggebiete konzentrierten sich in Vorpommern auf die küstennahe Ostseefischerei und auf die Binnengewässer und die Fischerei entwickelte regional verschiedene Fangmethoden. Das Stettiner Haff, der Barther oder Greifswalder Bodden wurden lange Zeit mit Zeesenbooten und großen Garnen, Stellnetzen, Reusen und Angeln befischt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts lieferte das Haffgewässer etwa jährlich bis zu 4 Millionen kg Fangfisch. Der Aal galt den Fischern bis 1945 als der sogenannte Brotfisch, weil er das meiste Geld brachte, was sich in der DDR-Zeit wiederholen sollte.
Das Fischerleben war bis heute kein Leichtes. Man lebte und arbeitete stets mit der mitunter sehr launischen und rauen Natur zusammen. Nach fetten folgten auch mal magere Fischjahre. Die großen Sturmfluten und die vielen schweren Herbststürme vernichteten nicht selten sämtliche Produktionsmittel: Boote wie Reusen und Netze. Der Fischer stand vor dem Ruin. Hinzu kam die Konkurrenz auf Fisch durch natürliche Fischfresser wie Seehunde und Kormorane.
Autorin: Hannelore Kuna.