Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Seidenbauer

Seidenbauer
 
 

Seidenbauer legten die Grundlage für die heimische Seidenherstellung, sie erzeugten Kokons, woraus danach in den Manufakturen und Fabriken die wertvolle Naturseide gesponnen wurde. Dafür mussten Seidenraupen gezüchtet und die Maulbeerbäume (Morus) als deren Nahrungsgrundlage angepflanzt werden.

 Erst im 18. und 19. Jahrhundert konnte in Mecklenburg auf die praktischen Erfahrungen der Nachbarländer, insbesondere von Preußen zurückgegriffen werden. Ursprünglich war das alte China bekannt für seine Seidenherstellung, obgleich hier die Jahrhunderte alten Erfahrungen und Kenntnisse streng gehütet wurden. Schließlich gelangte das Geheimnis der Seidenbauer über die Römer nach Europa. Zur Seidenproduktion benötigte man Seidenraupen-Maulbeerspinner, Bombyx Mori, und für ihre Nahrung die Maulbeerbaumblätter, die nicht überall und gleichermaßen gut gedeihen konnten. Zur Vermehrung verspinnen die Seidenraupen aus ihren Drüsen einen feinen Seidenfaden zu Kokons, in denen ihre Brut aufwächst und schlüpfen kann. Diese Kokons aus einem sehr feinen Seidenfaden galt es zu ernten, um daraus einen feinen Faden zu gewinnen.
 Versuche im Seidenbau gab es auch in Mecklenburg zu verschiedenen Zeiten, aber kaum mit durchschlagendem Erfolg, wovon Akten im Landeshauptarchiv Schwerin unter dem Titel „Seidenbau und Maulbeerplantagen (1770-1806)“ berichten. Der einheimische Seidenbau sollte teure Importe aus Indien und anderen Ländern ersparen, aber es sollte ebenso ein neuer Wirtschaftszweig aufgebaut werden.

 1753 boten die Kunstgärtner Schmidt und Geerke aus Stettin dem mecklenburgischen Herzog Christian Ludwig an mit ihren reichen Erfahrungen auf mecklenburgischen Boden Maulbeerbaumanlagen zu errichten. Sie wollten in Rostock und in Umgebung der Seestadt gutes Gärtnerland erwerben, verlangten aber zu hohe finanzielle Vorschüsse und ihre Forderungen wurden teilweise als unangemessen bewertet, sodass die Unternehmung vorerst scheiterte. Frühe Anpflanzungen etwa um 1780 wurden noch in Remplin mit einer Allee schwarzer und weißer Maulbeerbäume gemacht.
Die ersten bedeutenden Erfolge erreichte dann der Kaufmann Behm in Boizenburg in den 30 Ger Jahren des 19. Jahrhunderts. Er legte 1835, 1838 und 1839 große Schulen von Maulbeerbäumen auf den Elbbergen an und betrieb in den folgenden Jahren einen umfangreichen Seidenbau. Ein späterer Betreiber war Dr. Gentzke in Bützow, ihm folgten Kantor Hill zu Dreibergen, Konrektor Clasen in Schwaan, Geheimer Amtsrat Koch zu Sülze u. a. Auch die
Direktion der mecklenburgischen Eisenbahn veranlasste im Verlauf des 19. Jahrhunderts bedeutende Anpflanzungen von Maulbeerbäumen entlang der Eisenbahnstrecken und legte Samenschulen in Blankenburg, Bützow, Schwaan und Rostock an.
 Diese Initiatoren traten am 4. Juli 1852 zusammen und gründeten in Güstrow einen Seidenbauverein für (beide) Mecklenburg mit anfänglich 16 Mitgliedern, um ein allgemeines Interesse an diesem neuen und zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig zu wecken. Große Hoffnungen legte man in den fortlaufenden Chausseebau in Mecklenburg, da die neuen Steinstraßen sich hervorragend für Maulbeerbaum-Alleen eigneten. Die Statuten des Vereins erschienen gedruckt zu Bützow im Jahr 1861. Auf dem Hauptverein von Güstrow folgten die Erstgründungen von Nebenvereinen in Stavenhagen, Wismar und Schwerin. Der Hauptverein in Güstrow zählte im 1857 circa 250 Mitglieder.
 Seit dem Jahr 1853 hatte sich in Rostock Dr. Reder mit dem Seidenbau beschäftigt und unter den interessierten Bürgern glaubte man, dass der Verschönerungsverein sich der Maulbeerbaumzucht annehmen werde. Doch es sollte anders kommen. In Rostock konstituierte sich gleichfalls ein Seidenbau-(Neben)Verein am 20. September 1858 mit den Rechten einer juristischen Person, er wurde am 13. Dezember 1858 durch den E. E. Rat bewidmet. Der Verein blieb wirksam bis Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der Verein arbeitete auf genossenschaftlicher Basis, kaufte zentral für seine Mitglieder Maulbeerbaumsamen und Setzlinge sowie Seidenraupen ein, er organisierte den Absatz der Kokons oder gab zur ständigen Verbesserung und Anleitung des Anbaus verschiedene Merkblätter und kleinere Schriften heraus.
 Der Tatendrang war groß, so wurde in der Kröpeliner Vorstadt Gartenland erstanden, um eine Maulbeerplantage anzulegen. Als weitere Anpflanzungsplätze wurden Wege, Parks, Plätze, Friedhöfe, Schulhöfe usw. empfohlen. Damit wurde der Anfang gemacht, denn zunächst musste die Nahrungsbasis für die Seidenraupenzucht geschaffen werden.

 Der Maulbeerbaum braucht mindestens 4 Jahre Wuchszeit, bevor sie erstmals und ca. 6 Jahre bis sie voll und ganz zur Fütterung der Raupen genutzt werden konnte. Der Standort vor dem Kröpeliner Stadttor war gezielt gewählt worden, er lag weit entfernt vom Hafen und der Reiferbahn, ebenso von großen Schornsteinen und Teerkochstellen, die durch aussteigenden Rauch und üble Gerüche zum Hindernis für die Zucht werden konnten. 
 Wegen der rauen klimatischen Bedingungen hier im Norden, an der See, hatte man sich für den weißen Maulbeerbaum entschieden, die Anzucht erschien unkomplizierter. Dafür erwies sich die Sorte ausreichend widerstandsfähig gegen Kälte und Frost, was eine alte Wetteraufzeichnung aus Schweden von 1740 nachwies. Bevorzugt wurden auch der niedrigere Buschbaum und die Heckenform. Sie trugen feinere und weichere Blätter als hochstämmige Bäume, die eine Höhe von 3-6 Metern erreichen konnten.
Der zweite wichtige Faktor war die Kunst der Seidenraupenzucht selbst und bestand darin möglichst eine große Menge an Raupenbrut zu erzeugen. In der Hauptperiode von Anfang Juli bis Ende August mussten Raupen in allen Größen, von den geraden geschlüpften bis hin zu den sich schon verspinnenden Raupen vorhanden sein. Ihre Pflege und Fütterung sollte den unterschiedlichen Entwicklungsstadien angepasst werden. Das verlangte ein bestimmtes Maß an praktischer Erfahrung und ein geübtes Auge dazu.
 Die Witterung war dagegen kaum zu beeinflussen. Besonders von Mai bis August benötigten die Raupen optimale Bedingungen für ihre Entwicklung. Ihnen schadeten Kälte, Zugluft und schwankende Temperaturen erheblich.
 Mit der Ernte der Seidenkokons begann der letzte Teil des Arbeitsprozesses. Da sich in den Kokons noch die Puppen, aus denen normalerweise dann die Schmetterlinge schlüpfen befinden, mussten diese abgetötet werden. Das geschah im Backofen oder mittels Wasserdampfs.
 Zum Schluss erfolgte die sorgfältige Sortierung der Kokons nach Güte, Farbe und Größe, wonach sich auch der variierende Preis richtete. Große und feste Kokons mit einem sehr feinen Faden dienten zur Herstellung von wertvoller Kettenseide (Organzin). Kokons von mittlerer Größe ergaben Schussseide (Trama). Und die schwächsten Kokons lieferten einen groben Seidenfaden, der zum Stricken und Nähen angeboten wurde.
 Nach der Sortierung konnte der Seidenbauer seine Ernte an eine „Filanda“, demjenigen Betrieb, welcher die Herstellung des Seidenfadens aus dem Kokon vornahm, verkaufen.
 Der Mecklenburgische Seidenbauverein und damit auch der Rostocker Verein kooperierten hauptsächlich mit der Haspelanstalt von A. Heese in Steglitz bei Berlin. Kleinere Mengen verarbeitete auch das Taubstummen-Institut Ludwigslust.
 

Autorin: Hannelore Kuna

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