Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Seifensieder
Als sehr begehrter Kosmetikartikel oder als geläufiges Mittel und Utensil für Körper-, Kleidung- und Haushaltsreinigung etc. gibt es Seife heute in verschiedensten Varianten und Preisen. Doch dauerte es bis ins 19. Jahrhundert hinein, dass dieser für uns heute einfache Gebrauchsartikel ein Allround-Talent wurde, quasi ein unerlässlicher Hygieneartikel.
Das war nicht zu allen Zeiten so, denn obgleich das Wasser frühzeitig auch für das Wohlbefinden des Menschen anerkannt war, im Mittelalter gab es z. B. allerorten die Bäder, spielte die regelmäßige körperliche Reinigung mit Seife kaum eine Rolle. Der althochdeutsche Begriff „seifa“ - hat die Bedeutung von zäher, fetter und tropfender Masse, was ursprünglich als Schmierseife bekannt wurde. Jedoch einmal entdeckt und die förderliche Benutzung erkannt, nahm auch die Entwicklung der Seifensiederei ihren Fortgang. Die frühen Toilettenseifen z. B. in Kugelform waren geschätzte Kosmetikartikel zur teilweisen Waschung bei den Damen, zur Rasur der Männer oder zur Wundheilung in Adelskreisen, für die Masse der Leute war qualitativ gute Seife ein unerschwinglicher Luxus.
Gebräuchliche Seifensorten um 1800 in Rostock waren die schwarzen Seifen aus Bielefeld, Danzig, Elbing, Königsberg, Stettin, Warschau, Wesel; grüne Seifen aus Emden und Magdeburg, weiße Seifen aus Rostock und Anklam oder braune Seife aus Emden und Minden. Sie alle hatten ihre speziellen Vorzüge.
Dabei entstanden die Seifenfarben nicht durch künstliche Färbung oder anderen Beimischungen usw. sondern hauptsächlich durch die jeweils verwendeten Rohstoffe, die teuer und schwer zu beschaffen waren.
Natürlich hatten Seifensieder stets geheime Rezepturen neben dem geläufigen Grundwissen. So war bekannt: Talk und Unschlitt aus der Tierschlachtung verseiften allgemein zu fester weißer Seife. Kokosbutter, am besten durch Natron verseift, ergab eine blendend weiße, sehr harte und spröde Seife. Aus Fasanenfett wurde die Seife ebenfalls sehr weiß und hart. Aus Hasenfett wurde eine gelbliche nicht allzu harte Seife gefertigt. Aus Pferdefett entstand eine braune, sehr harte und durch Pferdeknochenmark dagegen sehr schöne weiße Seife. Schwarze, weiche Seifen entstanden durch die Verwendung von Talg mit stark konzentrierter Aschelauge und grüne weiche Seifen aus Hanf- und Leinöl mit Talganteil und Sieden mit Ätzkali.
Von der Konsistenz her unterschied man zwei grundlegende Seifenarten, die weiche oder harte Seife oder wie heute noch bekannt ist: Schmierseife oder Kernseife. Die Schmierseifen dienten dabei hauptsächlich zum Reinigen der Wäsche, die Kernseife diente zur Wundreinigung.
Die Rostocker Seifensieder stellten einfache Gebrauchsartikel her: grüne, weiche Schmierseife aus dem gepressten Öl der Hanfsamen und feste weiße Talgseife.
Die erste Arbeit des Seifensieders war die Zubereitung der Seifensiederlauge durch das Auslaugen von entweder: Holzasche oder (teurer) Pottasche oder Soda. Fette, wie (bestes) Talg, Unschlitt oder pflanzliche Öle wurden in geschmiedeten oder gusseisernen Kesseln langsam erwärmt und dann die Lauge zugesetzt. Mitunter musste die Lauge mehrmals erneuert werden, um die gewünschte Qualität der Seife zu erzielen. Vorläufig entstand eine milchige Masse (Seifenleim), die durch anhaltendes Rühren eine dickflüssige Konsistenz erhielt. Dieser Seifenleim wurde dann abgeschöpft und in vorbereitete Formen gefüllt, wo er mindestens 24 Stunden ausreifte.
Auf die richtige Lauge in der Zusammensetzung und Menge kam es an. Denn nahm der Meister zu viel Lauge, dann wurde die Seife hinterher ätzend und schadete der Haut. Verwendete er jedoch zu wenig Lauge, blieb ein Teil des Fettes oder Öles unverseift in der Seife zurück. Diese Seife blieb dadurch „fett“, was ein Vorteil für die Pflege der Haut war, erzielte aber weniger Reinigungskraft. Denn allgemein verlor die weiße Seife durch die Lagerung an „Schärfe“, das heißt, der Laugenanteil verringerte sich.
Nach entsprechender Ruhezeit wurde die harte Seifentafel aus der Form genommen, im Ganzen verkauft oder mit einem Messer in handliche und formschöne Stücke geschnitten, graviert oder verziert, je nach Bedarf.
Über die Rostocker Weißseife hieß es: „Die Seife ist leicht, weiß und trocken, reinigt die Haut von Ausschlägen und dient besonders zum Barbieren. Die Meister sind mit der Verfertigung derselben sehr geheimnisvoll und erlauben den Gesellen nicht das Auswandern“.
1800 verzeichnet Rostock die erste Seifenfabrik und keine einzelnen Seifensieder im Meister- und Gesellenverhältnis mehr, ein Indiz, dass das Geschäft mit der Seife wirtschaftlich nach neuesten Technologien gut florierte. Talg von den Schlachtbetrieben und Hanföl aus den Öl-Mühlen wurden ausreichend zugeliefert.
Der mecklenburgische Staat und die Stadt Rostock setzen 1789 Talg auf die Akzise-Liste, womit der Einkauf von Talg zugunsten von Staat und Stadt versteuert wurde. Wegen der Seifenrohstoffe, auf die mancher Handelsmann ein gutes Geschäft witterte, kam es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Von 1782-1803 klagten die Fleischer und Knochenhauer der Stadt gegen das Krämeramt, weil deren Kaufleute mit Fleischabfällen (Horn, Klauen, Talk, Unschlitt) u. a. auch mit den Seifenfabriken handelten und den Fleischern den Umsatz schmälerten. In dieser Zeit beschäftigte eine Seifenfabrik etwa 20-25 Arbeiter gegen Lohn und jeder Arbeiter führte seine angewiesene spezielle Tätigkeit aus.
In J. G. Fr. Cannabich’s Geographie-Lehrbuch von 1836 werden in Rostock 6 Seifenfabriken angegeben, die teilweise auch Talglichter herstellten, unter ihnen war Herrmann Fischer ein anerkannter „Hof-, Lichter- und Seifenfabrikant“. Er setzte sich insbesondere für die Gewinnung von Asche durch Verbrennung von Rapsstroh ein, die sowohl in der Textilherstellung als auch für die Lichter- und Seifenproduktion, bei besseren Eigenschaften, teure Holzasche aus Buche ersetzen konnte.
Erst mit der Industrialisierung, neuer Produktionsverfahren insgesamt und besonders für die Textilindustrie entstand so großer Bedarf an Seifen, dass die Seifensiederei kaum mehr nachkam, dabei war es durchaus üblich, dass die Hausfrauen sich selbst Seife anfertigten. So manches Haushaltsbuch enthielt alte Rezepturen, die innerhalb der Familie weitergegeben wurden.
Autorin: Hannelore Kuna