Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Steinmetz

Steinmetz


 Allein die Berufsbezeichnung lässt erahnen, dass die Steinmetze ein sehr altes Handwerk darstellen, doch hat sich ihr Arbeitszweck bis jetzt sehr gewandelt. Heutzutage gibt es meist einzelne Werkstätten in den Städten und die Leute lassen sich dort ihre Grabstätten herrichten. Verschieden grobe und feine Steinmaterialien stehen zur Auswahl und sind bereits in unterschiedlichen Formen und Größen vorgearbeitet, das heißt in Standardgrößen zugeschnitten und flächenmäßig bearbeitet worden. Der Steinmetz vor Ort verrichtet hauptsächlich die Endarbeit nach den Wünschen der Kunden. Das war alles früher ganz anders.

 Die große Blütezeit erreichte das Steinmetzgewerbe, als man im Mittelalter allgemein im sakralen wie profanen Repräsentativbau vom Holzbau zum Steinbau überging. Im süd- und südwestdeutschen Raum erbaute man die monumentalen Kirchen und Kathedralen mit exakt zugearbeiteten Sand- oder Kalksteinen, wodurch sich die Steinmetze hier besonders ansiedelten.

 Im Norden Deutschlands waren auch die Steinmetze mit ihrem Wissen und ihrer Handwerksarbeit im Bauwesen gefordert. Doch gab es von Natur aus hier keinen Sandstein, sondern als natürliches Steinmaterial Granit. Große Feldsteine aus Granit, die fast überall auf den Ackerflächen vorkamen, wurden durch die Arbeit der Steinmetze zu Baumaterial für Burgen, Schlösser, für den Kirchenbau oder zu Befestigungs- und Wehrbauten wie Stadtmauern, Stadttoren, Wehrtürmen usw. geformt.

 Frühe mittelalterliche Kirchen in Pommern entstanden fast gänzlich aus Feldsteinen. Mit der Ziegelsteinfertigung dienten Feldsteine meist zum Unterbau. Eine Besonderheit bilden einige alte Kirchen in der Uckermark, wo die Feldsteine allesamt quaderförmig gehauen wurden und damit eine regional besondere Kirchenarchitektur (Granitquaderbau) entstand. Noch im 19. und 20. Jahrhundert setzten die Bauhandwerker auch die Wände von Scheunen auf den adligen Gütern ganz oder halb aus Feldsteinen und Mörtel zusammen. Nun musste nicht jeder Stein behauen werden, ausgesuchte Steine eigneten sich schon durch ihre natürliche Form. Aber zumindest an den Verbindungsstellen der Mauern wurden passende Hausteine zum Verbund gebraucht.

 Der Steinbehau von Granit war aufgrund der Härte des Materials eine körperlich schwere Arbeit, die Formung von Feldstein war aus diesem Grund gegenüber dem Sandstein stark eingeschränkt. Diese schwere Steinmetzarbeit wirkte sich auf die Länge der Zeit dazu gesundheitsschädlich aus, denn neben der Gefahr von Verletzungen durch Steinsplitter legte sich der feine Steinstaub auf die Lungen, denn einige Steinmetzarbeiten erhielten durch Trocken- oder Nassschliff erst ihre endgültige Flächenbearbeitung.

 Steinmetzarbeit vollbrachte auch die Bildhauerkunst. Wertvolle Arbeiten hinterließen begabte Meister in Skulpturen und Plastiken, mit in Stein gehauenen Figuren. Zu ihren wohl bekanntesten Werken und in vielen Kirchen noch heute zu findenden Gegenständen gehören aus Granit gefertigte Grabplatten, Säulen, Reliefs, Figuren, Köpfe, Taufbecken, Gedenksteine. Neben Granit verwendeten die pommerschen Steinmetze auch Sandstein oder schwedischen Kalkstein. Der Steinmetz gestaltete Grabplatten vielfältig durch eine in Stein gehauene Abbildung der Person, Wappen, christliche Symbole und Lebensdaten, alles dargestellt mit Ritzzeichnungen oder in eingetieftem Relief.

 Mit Veränderungen in den Bautechniken, der Materialverwendung gab es für das Steinmetzhandwerk gravierende Einschnitte, die oft die handwerkliche Existenz gefährdeten. Doch fand sich zumeist für geschäftstüchtige Meister wieder eine Bedarfslücke, die das Gewerk aufrecht erhielt. Nach der Gewerbeliste von Pasewalk arbeitete 1861 ein Steinmetz mit einem Lehrling in der Stadt, in anderen Städten wie in Anklam, Wolgast oder Ueckermünde fehlte auch der Steinmetz nicht. Zu dieser Zeit bot beispielsweise der Chausseebau dem Handwerk Arbeit. Nach jeder preußischen Meile (7,532 km) wurden als Säule, Rundsockelstein ein Meilenanzeiger gesetzt, mit der Entfernungsangabe, um das Straßengeld exakt erheben zu können.

 Bis heute ist der Steinmetz für die Entwicklung der Grabmalkultur wichtig geblieben. Ein bleibendes Grab mit Stein und Inschrift, Platte, Einfassung usw. ist noch heute gewünscht, ist aber ständigen zeitgemäßen Veränderungen in der Grabmalkultur unterworfen, durch anonyme Bestattungen, Wiesenbestattung, Friedwald oder Feuerbestattung und u. a. m. Auch der Geschmack zur Gestaltung eines Friedhofes hat sich enorm geändert, obgleich es inzwischen spezifische Friedhofsatzungen gibt.


Autorin: Hannelore Kuna


Straßenbau in Pommern


 Noch um 1815 gab es in ganz Pommern keine feste Stein-Chaussee zum Leidwesen der regelmäßigen Reisegäste und des Handels. Die einzige chaussierte Straße, die im Norden Deutschlands bestand, war die von Berlin nach Potsdam. Der Norden setzte Jahrhunderte lang auf den „Naturbau“, das hieß „Frost und Hitze erwiesen sich als die besten Straßenbaumeister“.

 Um 1820/30 sollte sich die Einstellung zu den außerordentlich schlechten Verkehrsverhältnissen schlagartig ändern. Binnen 28 Jahren entstanden in Pommern 150 Meilen neue Staatsstraßen mit Steinpflasterung. Als erstes großes Bauvorhaben wurde 1831-34 die Kunststraße Stettin-Löcknitz-Pasewalk-Anklam fertig. Dann folgte der Bau Anklam-Stralsund mit neuer Streckenführung über Karlsburg. Die neue Chaussee diente ab 1840 als Hauptpostweg. In der Mitte zwischen Greifswald und Anklam lag mit der Kreuzung und Station Möckelberg ein wichtiger Verkehrs- und Postknotenpunkt. Hier trafen sich die „Posten“ zwischen Nord und Süd (Stralsund bis Berlin), West und Ost (von Mecklenburg bis Wolgast). Briefe und andere Postsendungen wurden umgeladen und Reisende stiegen in andere Postkutschen um.

Zuvor verlief der Hauptpostkurs von Anklam ab über Ziethen nach Schlatkow, Ranzin, Zarnekow und Groß Kiesow weiter nach Greifswald verlief.

 Damit war ein Teil der heutigen Bundesstraße 109 auf den Weg gebracht, im wahrsten Sinne des Wortes. Jedenfalls in den Grundlagen und seit her hat sich die Streckenführung nicht wesentlich verändert.

 Für die Chaussierung brauchte man immer wieder neue Arbeitskräfte, die den Bau am Laufen hielten. Das bedeutet zugleich, dass damals die „B 109“ massenhaft Arbeitskräfte verschlang und Anfangs entstand sie mehr oder weniger aus reiner Körperkraft.

 Nun galt Pommern schon immer als Flächenland, so dass Arbeitskräfte aus verschiedenen Regionen und anliegenden Ländern, von Polen z. B., angeworben wurden. Der pommersche Straßenbau brachte viele Männer in Arbeit und Lohn, an dem es immer und überall mangelte. Da die Arbeitsbedingungen nicht einfach waren, wurden Arbeiter als Steinschläger auch aus den Landarbeitshäusern Ueckermünde, Stralsund z. B. rekrutiert. Das brachte jedoch einige Probleme mit sich. Die Arbeit in freier Natur war eine körperlich schwere Tätigkeit, kräftige Burschen und Männer wurden als Erdarbeiter, Steinschläger, bei der Kiesgewinnung und bei der Steinsetzung gebraucht.

 Insbesondere die Steinschlägerarbeit hatte es in sich. Grobes Steinmaterial lag mit den Findlingen von der letzten Eiszeit auf den umliegenden Feldern, womit die Materialbeschaffung von den Kosten und Transportaufwand her recht günstig erschien. (Die Feldsteine aus Schweden waren die ersten Einwanderer in Pommern, Theodor Schmidt Stettin). Per Gesetz mussten die Gutsbesitzer die Findlinge auf ihren Feldern kostenlos hergeben, falls sie selbst keinen Eigengebrauch zum Bau von Scheunen, Viehställen usw. anbringen konnten.

 Wer heute mit offenen Augen durch die Landschaft fährt, kann immer noch an den Feldrändern Feldsteine, einzelne oder mitunter in der Masse liegen sehen.

 Straßenbauer waren in der Regel hart gesottene Arbeiter; hemdsärmelig, lederhäutig arbeiteten sie in der Kolonne mit der Spitzhacke, Schippe, Spaten und Hammer, immer nach Tagesplan. Die Steinschläger unter ihnen waren hart im Nehmen, die mächtigen Granitblöcke wurden zunächst an Ort und Stelle gesprengt, um sie weiter bearbeiten zu können. Mit Muskelkraft und schweren Hämmern bearbeiteten sie die unförmigen Steinbrocken maß- und formgerecht zu Kopf- oder Pflastersteinen, je nachdem welche Steine gebraucht wurden.

 Zum Schutz der Augen trugen sie nur einfache große Strohhüte, die konnten Verletzungen aber nicht immer verhindern. Auch tödliche Unfälle traten auf und in einem Bericht hieß es dann: „Ein Chaussee-Arbeiter aus Torgelow kam am 13. Mai 1833 beim Kiesgraben auf der Feldmark Daugzin durch Herabstürzen einer großen Masse Kies ums Leben.“

 Die Straßenbauarbeit im 19. Jahrhundert war stark abhängig von der Natur und den Jahreszeiten und so ruhte den Winter über der Chaussee-Bau. Die einheimischen Arbeiter und die aus dem benachbarten Mecklenburg zogen mit Winterbeginn zu ihren Familien, doch die meisten Auswärtigen blieben hier. Die Polizei erlaubte ihnen, dass sie sich außerhalb der anliegenden Ortschaften provisorische Hütten als Unterkunft errichteten. Meist bauten sie sich direkt an der Straße einfache Holzhütten, das musste ausreichen, um über den Winter zu kommen, die Lebensbedingungen waren denkbar schlecht.

 Allerdings waren sie auch grobe und ruppige Männer, die durchaus auf ihre Arbeitsbedingungen achteten und auf ihren Vorteil bedacht waren. Das betraf oft die Männer aus den Arbeitshäusern. Gefiel dem einen oder anderen die schwere Arbeit nicht, wurden sie vertragsbrüchig und flüchteten vom Arbeitsplatz. Die Unternehmer waren auf das zusammengewürfelte, bunte und undurchsichtige Mannsvolk eingestellt und wenn sich jemand unerlaubt entfernte, waltete die „Sicherheits-Polizei“ ihres Amtes regelmäßig mit Steckbriefen, die in den Ortschaften angeschlagen standen.

 Da konnte man dann auch im Staatsanzeiger lesen: „Der Chausseearbeiter Friedrich Neitzel hat sich heimlich von der Chausseestrecke entfernt und seinen Pass und anderwertige Legimitation zurückgelassen. Da nun zu vermuten ist, dass der Neitzel sich vogabondierend herumtreibt, so werden sämtlich Polizeibehörden und die Gendarmerie hierdurch angewiesen ihn zu vigilieren. Signalenement: Religion evangelisch, Alter 30 Jahre, Größe 5 Fuß 7 Zoll, Haare blond, Stirn flach, Augenbrauen blond, Augen hellblau, Nase spitz, Mund proportioniert, Bart blond, Kinn rund, Gesicht oval, Gesichtsfarbe gesund, Statur stark.“

 Doch weder Mensch noch Natur konnten die neuen Baupläne verhindern, wohl verzögern ja. Trotz aller Widrigkeiten vollbrachten die Bauunternehmer, Bautechniker und Arbeiter großartige Leistungen. Wohl durchdacht wurden diese Chausseen bis 1945 Kunststraßen genannt - das waren künstlich angelegte Straßenführungen, mit Menschenhand durch die Natur nach zeitgemäßen verkehrstechnischen Erfordernissen erbaut. Was für eine körperliche und technische Leistung.

 Die neue fest gefügte Chaussee schlängelt sich Meile für Meile durch die Landschaft und nahm eine sie prägende Gestaltung an bis heute. Der Straßenquerschnitt teilte sich in den steinernen, etwas gewölbten Fahrdamm (bis 8 m), einen Sommerweg aus Kies (bis 3 m) und einen schmalen Fußpfad für die Wanderer (1 m). Die nutzbare Straßenbreite erreichte bis zu 12 m. Alles war wohl berechnet und durchdacht. So konnten entgegenkommende Kutschen einander ausweichen. Der Sommerweg wurde gerne genutzt von Mensch und Tier. Dabei konnte um 1830 noch niemand ahnen, dass es keine 100 Jahre später mit Autos, Lastkraftwagen und Omnibussen viel größere und schnellere Fahrzeuge geben würde.

 Die Landschaft rechts und links der Chausseen wurde weiter gestaltet: Gegen Überflutung durch Regenwasser entstanden beiderseits Gräben. Vor Wind, Sturm und Sonne schützten Baumreihen. Pommerns Alleen wurden so durchs ganze Land weitergeführt und verbanden sich einzigartig zu einer Kulturlandschaft.

 Natürlich hatten die Einheimischen was zu kritisieren, z. B. handelte es sich bereits 1839 um die Auswahl der Baumarten. Obstbäume, also traditionelle Nutzbäume, hatten die Bewohner erwartet, stattdessen erhielten sie Pappeln, Espen und Vogelbeeren zwischen Stralsund und Anklam.

 Übrigens schauten die Bayern zu Mitte des 19. Jahrhunderts etwas neidisch auf den großzügigen und modernen Straßenbau in Preußen. Die Allgemeine Zeitung München schrieb im Jahr 1854:


 „In Altbayern, dessen Bodenbeschaffenheit in Hinblick auf den Straßenbau viele Analogien mit der von Pommern darbietet, würde sich eine solche, bis jetzt hier noch eine ganz unbekannte Einrichtung gewiss auch vortrefflich bewähren …“

Das waren ganz neue Töne, denn vordem hatte man ja eher abwertend auf Pommerns Chausseeführung geblickt. 



Autorin: Hannelore Kuna



Gewinner und Verlierer


Der Bau der „109“ mobilisierte ungeahnte Kräfte bereits in der Vorbereitungsphase für alle an der Hauptstrecke liegenden Ortschaften, insbesondere durch die Städte Pasewalk, Anklam, Greifswald und Stralsund. Pommern wollte Anfang des 19. Jahrhunderts noch mehr als die Hauptstrecke, nämlich eine komplexe Infrastruktur schaffen. Das Ziel war klar, auch abseits der Hauptstrecke liegende Gemeinden sowie die angrenzenden Länder und Provinzen, Mecklenburg und Brandenburg, miteinander zu verbunden.

 Die Städte begriffen sofort ihre große Chance, aber einige eben schneller. Die Hafenstadt Wolgast z. B. lag bislang weit entfernt von einer Hauptstraße und da gab es für die Wolgaster nur eins, wir müssen an die Verbindung. Die Verwaltungshürden lagen hoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts und weder der preußische Straßenbau-Etats noch der neuvorpommersche Kommunallandtag verfügten über ausreichende finanzielle Mittel und die technischen Planungen fraßen Zeit. Ein Zubringer von Möckow nach Wolgast konnte daher unmöglich zeitnah entstehen.

 Für die betroffene Wirtschaftsregion eine Katastrophe, wenn nicht der private Unternehmer August Wilhelm Homeyer so viel ökonomische Weitsicht bewiesen hätte und die Situation rettete. Homeyer (1793-1856) war seines Zeichens Wolgaster Kaufmann und Reeder, dabei eine stadtbekannte Persönlichkeit. Als Mann der Wirtschaft erkannte er die Bedeutung und Wichtigkeit eines Anschlusses an die Hauptchaussierung und so unterstützte er den Bau der Strecke Wolgast-Möckow mit einem Teil seines Privatvermögens. Die Restsumme fand sich dann tatsächlich auch bald. Für Wolgast war damals die Anbindung der Teilstrecke an „Stettin-Stralsund“ ein wirtschaftlicher Segen.

 Wolgasts Wirtschaft lebte vor allem von der Schifffahrt mit großer Getreideausfuhr nach Hamburg und Bremen und in die Länder Dänemark, Norwegen, England. Die Reedereien erhofften sich lohnende Frachtverträge mit adligen Gütern aus der Region und von auswärts bis zur Uckermark und aus Mecklenburg. Und in der Tat, dank Homeyer, zählte Wolgast zu den Gewinnern der B 109.

 

 Ebenso bedeutend wurde für Anklam der Bau der Neben-Chaussee von Kavelpass (bei Friedland, Grenze zu Mecklenburg) nach der Peenestadt: „Zur Verbindung der fruchtbaren Gegenden des Anklamer Kreises, so wie des angrenzenden Mecklenburgs mit den Städten Anklam, Wolgast, Greifswald, Stralsund und zur Sicherung des Handelsverkehrs durch dieselben ...“, so hieß es auf den Verhandlungen des fünften pommerschen Landtags im Januar 1834 in einer Petition „Zur Anlage von Neben-Chaussen“.

 Schon im Jahr 1825 sollen aus der Uckermark auf Freipässen der preußischen Regierung hin 4000 Wispel (geschätzt 6,5 Tonnen Roggen) auf Pferdewagen nach den vorpommerschen Häfen transportiert worden sein. Ebenso boomten nach der Ernte die Getreideanfuhr aus dem Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz. Doch die Fahrten waren schwierig. Selbst bei guten Witterungsbedingungen und trockenen Wegen, brauchten die Pferde von Friedland nach Anklam einen ganzen Tag, so sagen es jedenfalls alte Berichte.

 Mit der neuen Chaussierung Kavelpass-Anklam (bis 1835) verkürzte sich die Fahrzeit für die 3 Meilen ab Grenze etwa auf reichlich drei Stunden und schonte Pferd, Geschirr und Wagen. An dem Sprichwort „Zeit ist Geld und Geld ist knapp“, wurde schon lange vor unserer Zeit gearbeitet.


 Aber es gab auch Verlierer. Betroffen war insbesondere die Stadt Ueckermünde und damalige Kreisstadt. Ueckermünde lag von der Trasse der neuen Staatsstraße Stettin-Stralsund etwa 2 Meilen (15 km) entfernt, womit dem regionalen Handel und Wandel große wirtschaftliche Verluste drohten.

 Eine lange Tradition ging zu Ende. Über Jahrhunderte hinweg befuhren Kaufleute und Reisende aller Couleur die Wegstrecke von Anklam nach Stettin über die Ortschaften: Kosenow, Bugewitz, Mönkebude, Grambin, Ueckermünde, Groß Mützelburg, Falkenwalde. Die alte Verkehrsverbindung, auch die Via Regia (Königsweg) genannt, geriet nun endgültig ins Abseits und wurde mit der neuen Staats-Chaussee unbedeutend.

 Zwar blieb die Streckenführung Ueckermünde-Entepöhl-Falkenwalde-Stettin (Straßenzug Nr. 301) bis 1945 erhalten, wurde aber nur noch von der Einwohnern des Kreises Ueckermünde genutzt.

 Die Auswirkungen auf die Wirtschaft veranlassten den Magistrat von Ueckermünde mit Bekanntgabe der Chaussee-Baupläne in Berufung zugehen. 1842 richtete der Magistrat eine 16-seitige Petition an den Landtag und wies darauf hin, wie „stiefmütterlich der Ort behandelt wurde“ und ersuchte, ja rang, um eine Anbindung an die neue Staatsstraße Stettin-Stralsund.

 Es dauerte dann über fünf Jahre bis die finanziellen Mittel für eine „Stichstraße von Borkenfriede nach Ueckermünde“ bereitgestellt wurden, an der sich die beiden unmittelbar profitierenden Kreise Anklam und Ueckermünde beteiligten. Für die Einwohnerschaft von Ueckermünde entstand nun einen Reiseanschluss, insbesondere in Richtung Norden. Auf dem Weg lagen in den Ortschaften Millnitz, Heinrichshof und Borkenfriede Haltestellen der Postkutsche. Reisende konnten zusteigen, wenn leere Plätze vorhanden waren und Borkenfriede führte außerdem einen Krug.

 Später, 1917-21, wurde von Heinrichshof aus Lübs, unter dem Namen „Lübser Damm“ an das Straßennetz angebunden: Steinbahn 3,5 m, Sommerweg: 2 m, Fußgängerbankett: 1 m.


Autorin: Hannelore Kuna



Historische Spuren von Königs und Co.


 Die heutige B 109 hat schon eine ganze Reihe von historischen Persönlichkeiten auf ihrer Strecke erlebt, wenn auch nur auf der Durchreise, das haben ja lange Reisen so an sich. Wandernde Gesellen, Vagabunden, Händler, Hochadlige, auch Könige, Rennradfahrer, einen Kosmonauten, man mag es kaum glauben.

 Die alte Reiseroute reicht weit in die Jahrhunderte zurück, am populärsten ist wohl das 19. Jahrhundert. Doch schon lange zuvor existierte hier zwischen den Hansestädten Anklam, Greifswald und Stralsund eine Wegestrecke namens „Via Rega“, die viel bereist wurde. Wer in die große weite Welt wollte, der musste hier entlang. Das war zuzeiten als es noch kein Kopfsteinpflaster und weder Beton noch Asphalt gab. Da quälten sich Postkutschen auf ausgefahrenen Sandwegen in der Sommerzeit entlang und durch Schlaglöcher im Herbst und Frühjahr. Im Winter wiederum waren die Böden hart gefroren und eine ausweichende Fahrt zu Wasser wegen Frosteinbrüchen unmöglich. Daher reiste man im Winter nur wegen äußerst dringender Angelegenheiten. Insgesamt waren Achsenbrüche, kraftlose Pferde, inklusive Rückenschmerzen der Fahrgäste, gewöhnliche Gefährten auf den Reisestrecken.

 Als wichtiges Reiseziel galt die Universität Greifswald, insbesondere für die Studenten und Lehrkräfte, oder es wurden die Städte Stralsund, Greifswald und Anklam durch Handel und Wirtschaft regelmäßig angefahren. Ab Frühjahr wurde es allein belebter auf dieser Route wegen der regelmäßigen Markttage in den Städten. Jung und Alt wurden in Bewegung gesetzt. Händler und Käufer trafen sich, um ihre Geschäfte abzuwickeln und manche Unterhaltsamkeit fürs Volk wurde geboten.

 Unter den Reisenden befand sich oftmals Prominenz und das hing weder mit den Städten, der Wirtschaft, Handel und Schifffahrt usw. zusammen, sondern mit dem adligen Landschloss auf Karlsburg bei Greifswald. Seitdem 18. Jahrhundert pflegten die Besitzer des adligen Lehnguts regelmäßig Kontakte zu den Herrscherhäusern nach Stockholm und Potsdam.

 Zur Schwedenzeit genossen die (Reichs)Grafen von Bohlen hohes Ansehen am königlichen Hof zu Stockholm. Nachdem Ulrike Luise von Preußen (1720-1782), die Schwester Friedrich des Großen, 1744 den schwedischen Kronprinzen Adolph Friedrich heiratete, wurde sie am 30. Juli des Jahres (als angehende Königin) auf Schloss Karlsburg, das damals noch Gnatzkow hieß, in Ehren und Würden empfangen. Das war ein tüchtiger Wirbel, als die Gäste eintrafen.

 1771 reiste der junge Gustav III. (1746-1792) nach seiner Berufung zum schwedischen König von Paris aus über Berlin in sein nordisches Reich und er übernachtete im Schloss Karlsburg. Als Anerkennung gewährte er dem damaligen Besitzer Carl von Bohlen die Umbenennung Ortes in Carlsburg (heutige Schreibweise Karlsburg). Danach fuhr die hochherrschaftliche Gesellschaft nach Greifswald weiter, um mit der planmäßigen Schiffslinie nach Ystad die Ostsee zu überqueren.


 Als der junge Otto von Bismarck, späterer Reichskanzler, in Greifswald seine Dienstzeit als Einjährig-Freiwilliger im 2. Pommerschen Jägerbataillon von Herbst 1838 bis Sommer 1839 absolvierte, zog es ihn öfter in das Haus Karlsburg zu seinem Vetter Graf Theodor Bismarck-Bohlen. Der junge Bismarck sattelte in Greifswald sein Reitpferd und ritt aufs Land. Es ist überliefert worden, dass er die geistigen Gespräche mit der klugen Hausherrin, Caroline von Bismarck-Bohlen schätzte und mit ihr über seine zukünftige berufliche Laufbahn plauderte.


 Wieder erhielt Karlsburg königlichen Visiten, diesmal aus südlicher Richtung, aus Berlin. Darüber berichtet das Hausbuch:


 „Am 19. Juni 1843 hatten wir das Glück, Seine Majestät, unseren König Friedrich Wilhelm IV. zu Mittag bewirten zu dürfen. Das Schloss war mit Flaggen etc. bestens rangiert, eine ländliche Ehrenpforte an der Chaussee aufgestellt“.

 

 Vermutlich prüfte der preußische König das gelungene Straßenwerk bei dieser Gelegenheit persönlich. Schließlich hatte schon sein Vater im Jahr 1828 eine Million Taler bereitgestellt für den Bau einer die ganze Provinz Pommern durchneidenden Chaussee von Anklam über Stettin bis Felstow an der westpreußischen Grenze bereitgestellt.

 Ein zweiter Besuch Friedrich Wilhelms IV. in Karlsburg folgte ein Jahrzehnt später, im Jahre 1853. In Begleitung des Königs waren auch der Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt und der Architekt Friedrich August Stüler. Und besucht vom König wurde auch das Gut und Schloss Niederhof am Strelasund. Friedrich Alexander von Bismarck-Bohlen, inzwischen eine neue Besitzergeneration auf Karlsburg und in Diensten des Königs, schrieb an seine Großmutter:


 „Liebe Großmutter! Du wirst dich gewiß sehr verwundern über diese Zeilen, die hoffentlich nur nicht schrecken werden: Sr. Majestät wird heute um 4 Uhr nachmittags bei dir zum Besuch eintreffen, gefolgt von Stolberg, Gerlach, Oberst Schober, Schlegel, Oberregierungsrat v. Böder, Dr. Grimm und ich ... und überlässt es mir, ihn im Park herumzuführen. Gott befohlen Dein Fritz.“


 Niederhof befand sich über Jahrhunderte im Besitz der Damen von Bohlen, es wurde einst als sicherer Alterssitz der Damen testamentarisch verfügt. Der Park war großzügig angelegt worden und im Laufe der Zeit einigen Veränderungen unterworfen, doch bildete er in seiner Anlage und mit den kostbaren Bäumen ein besonderes Naturerlebnis.


Autorin: Hannelore Kuna

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