Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Tapezierer
Tapezierer und Maler sind heute Fachleute des Raumausstatterhandwerks und verschönern ebenso die Außenwände der Gebäude. Sie arbeiten mit Farben, Tapeten und anderen Wand- und Deckenbekleidungen.
Sehr interessant, weil abwechslungsreich, erscheint die Geschichte der Tapezierer. Seit dem späten Mittelalter war dieses spezielle Handwerk bereits rühmlichst bekannt. Die Handwerker beschäftigten sich frühzeitig mit der Ausschmückung und der Bekleidung von Innenwänden in den Burgen und Schlössern. So erhielten Festsäle oder Gemächer durch ihre mitunter auch schon künstlerische Arbeit ein prächtiges, interessantes und oftmals ein unterhaltsames Ambiente. Die Motive der Wandbekleidungen waren von vielfältigster Art und Weise ausgewählt, da gab es biblisch-mythologische Szenen bis hin zur Darstellung von Jagdbildern.
Das historisch erste Material der Tapezierer (lat. tapetum-Teppich) waren Garne aus Seide, Wolle, feine Silber- und Goldfäden, woraus kunstvolle Wandteppiche gewebt wurden. In den reichen mittelalterlichen Hansestädten, wie in Stralsund und auch Anklam, zählten die Tapezierer mit ihrer ästhetischer Gestaltungskraft zu den vornehmen Gewerken, da sie die Räumlichkeiten der wohlhabenden Kaufleute Leute mit kostbaren textilen „Tapeten“ und die Decken mit feinster Farbigkeit veredelten.
Die Tapezier-Materialien der Neuzeit wurden auch Gobeline genannt, nach Gilles Gobelin einem in Frankreich unter Franz I. berühmten Tapeten-Wirker. Wandteppiche gemischt aus Wolle und Seide hießen Brabanter Teppiche. Hochkettige Gobelins, deren Kette senkrecht in einen besonders gebauten Webstuhl gezogen wurde, nannten sich Hautelisse (franz.). Die Motive auf den Teppichen waren sowohl von freier künstlerischer Idee als auch von zeitgenössischer, politischer oder genealogischer Natur. Jeder fürstliche Hof hielt sich seinen Tapezierer, wie auch die Herzöge in Pommern dies taten. Berühmt ist heute noch der pommersche Croy-Teppich vom Tapetenmacher Heymann aus Stettin aus dem Jahr 1555, der im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald zu bewundern ist.
Die einfachere, weil preiswertere Art der Wandgestaltung, wurde durch Tapeten aus Sackleinwand erreicht, die bemalt oder bedruckt wurden. Zwischen 1762 und 1764 schuf der in Prenzlau geborenen Landschaftsmaler Jacob Philipp Hackert sechs Leinentapeten mit idealisierten Landschaften für den Festsaal im Herrenhaus Boldevitz auf Rügen. Hackert fertigte ebenso auch die Wandverkleidung eines Raumes in einem Stralsunder Bürgerhaus (Ossenreyerstraße 1).
Im 17. Jahrhundert kam aus Spanien die Mode auf, die Wände mit Leder zu verkleiden, was bei der Größe der Exemplare kostspielig sein konnte und dazu führte, dass der Tapezierer mit der Sattlerarbeit ein fremdes Gewerbe beherrschen lernte. Die Befestigung des festen, kräftigen Materials erforderte auch spezielle Techniken. Zum Glück für das Gewerk der Tapezierer ging die Zeit der Leder-Mode vielen Wänden vorüber, aber die neu gelernten Techniken aus dem Sattlergewerbe blieben, was gelegentlich als Nahrungseingriff gewertet wurde und zu bösen Streitigkeiten führte.
Erst mit dem 19. Jahrhundert wurden als Tapeten bzw. Wandverkleidungen nicht mehr textile Stoffe oder gar Leder verwendet, sondern die Wände wurden nunmehr hauptsächlich mit Papierlagen und zwar flächendeckend geklebt, was die rasante technische Entwicklung begünstigte. Vereinzelt gab es auch schon im Mittelalter Papiertapeten, die äußerst aufwendig handbedruckt waren mit sogenannten Holzmodeln ähnlich dem frühen Textildruck.
Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gelang es Tapetenherstellern in England und Frankreich die Tapeten in längeren Bahnen herzustellen. Aus der englischen Produktion stammt noch das heute verwendete Standardmaß von 12 Yards (ca. 10 m) für eine Bahn. Die erste größere Tapetenfabrik in Deutschland entstand 1789 in Kassel. Ab 1835 gelang es Papierbahnen auf Rollen endlos zu produzieren, so dass bereits 1852 der erste maschinelle Druck einer Tapetenrolle erfolgen konnte. 1849 gab es im preußischen Staat 38 Papiertapetenfabriken mit 404 Arbeitern, aber in Pommern keine.
Doch der Handel mit maschinell hergestellten Produkten etablierte sich auch in Vorpommern schnell, um 1900 war die Tapete so gut wie in jedem Haushalt an der Wand. Der Tapezierer wurde ein gefragter Handwerker, der sich insbesondere durch Genauigkeit und geschickte Hände auszeichnete. Je nach Länge der Wandflächen mussten einzelne Bahnen von der Rolle zugeschnitten, mit Leim eingekleistert und an die Wand geklebt. Diese vereinfachten, speziellen Grundarbeiten sind bis heute so geblieben. Jedoch wechselten im Laufe der Wohnkultur die Muster ständig. Zeitweise wurden auch an den Tapetenabschlüssen farblich abgestimmte Leisten angebracht. Der Zeitgeschmack brachte so einige Blüten hervor.
Autorin: Hannelore Kuna