Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
„Dem Glücklichen schlägt keine Stunde- ist ein geläufiges Sprichwort. Wehe dem, der nicht im entscheidenden Moment eine Uhr bei sich trägt, um pünktlich zu seinem Termin zu erscheinen. Der verpasst womöglich die Chance seines Lebens.
Die Mönche benutzten anfangs Sand- und Wasseruhren um ihren Kloster- Alltag zu bewältigen. Diese Uhren waren Zeitmesser für einen begrenzten Zeitraum, wobei die Anfangszeit festgelegt wurde.
Jedoch gab es bereits seit Langem die Sonnenuhren, welche die Zeit angaben, aber nicht messen konnten. Sonnenuhren waren sehr zuverlässig, jedenfalls wenn die Sonne schien. Einige zeigten nicht die Stunden, sondern direkt die Gebetszeiten für die Geistlichen an, vom Morgengebet bei Sonnenaufgang bis zum Abendgebet bei Sonnenuntergang. Spätere Sonnenuhren wurden mit verschiedenen Zeitangaben, einer Genauigkeit von weniger als 2 Minuten und mit künstlerischer Ausschmückung errichtet. Ein erstes Inventar der Sonnenuhren Mecklenburg-Vorpommerns zählt gegenwärtig 188 Objekte in 108 Orten, darunter 13 nicht mehr vorhandene Sonnenuhren.
Mit der Entwicklung mechanischer Uhrwerkhemmungen im 14. Jahrhundert wurden gewichtsbetriebene, mechanisch regulierte Uhrwerke gebaut. Der neue Mechanismus brachte verschiedene Uhrtypen hervor: große Turmuhren, kleinere Türmeruhren, Uhren mit Glockenspielen usw.
Frühe Uhrenbauer kamen aus materialverwandten Handwerken, von den Grobschmieden, Goldschmieden, Waffenschmieden, Glockengießer und Orgelbauer, die sich ganz besonders mit den technischen Abläufen eines Uhrwerks beschäftigten. Als Spezialisten in ihrer Branche nahmen sie mit„holorigarius“ eine besondere lateinische Bezeichnung an. In den ältesten Rostocker Stadtbüchern (1254-1273) wird ein Albertus mit Zunamen „Hologher“ erwähnt. Im mittel- und norddeutschen Sprachraum hießen sie auch Seyermacher oder Seigermacher, 1341 wurde im Stralsunder Stadtbuch der erste Seigermacher erwähnt.
Große Räderuhren mit Schlagwerken waren kostbar wegen der Materialverarbeitung und natürlich der technischen Umsetzung, sie verbreiteten sich daher erst allmählich. Die ersten Uhren erhielten um das Jahr 1350 Padua, Bologna und Paris. Große Uhren an öffentlichen Gebäuden kamen nach Nürnberg erst 1462 sowie Florenz 1484 und Venedig 1497.
Rostock besitzt heute mit der astronomischen Kunstuhr an der St. Marien-Kirche als einer der wenigen Städte noch ein funktionierendes mittelalterliches Uhrwerk. Sie wurde vermutlich 1442 vom Uhrmacher Hans Dühringer gebaut. Von 1641 bis 1643 wurde die Uhr erweitert, das Figurenspiel verändert und ein Glockenspiel und der Renaissancerahmen hinzugefügt. Seit der umfangreichen Restaurierung in den Jahren 1974 bis 1977 sind alle Bauteile wieder voll in Funktion.
Die dreiteilig gegliederte Uhr besteht aus dem Apostelumgang (oberer Teil), dem Hauptteil mit Sonne und Mond im Tierkreis und dem Kalendarium (unterer Teil). Zum Ablesen der Uhrzeit sollten die Menschen himmelwärts schauen, dadurch erhielten sie den Eindruck, dass Minuten und Stunden etwas Göttliches und von Gott gegeben seien und die naturwissenschaftliche Erfindung der Zeitmessung keine ketzerhafte Idee wäre. Die aktuelle Kalenderscheibe gilt für 133 Jahre, für diesen Zeitraum sind die Daten fest aufgemalt, danach muss die Scheibe erneuert werden.
Der nächste „Lebenszyklus“ ab 2018 wird schon vorbereitet. Die Uhr ist eine mechanische Uhr, das Hauptwerk treibt auch das Zeigerwerk an. Das Stundenschlagwerk und das Musikwerk arbeiten stündlich zusammen. Außerdem gibt es noch das Apostelwerk. Das Gehwerk muss täglich 17 m hoch aufgezogen werden. Das Kalenderwerk dagegen wird nur einmal wöchentlich aufgezogen. Die Frequenzsteuerung erfolgt über das Pendel, ca. 3 m lang, 30 sek.
So intelligent, weltanschaulich und schmuckvoll ausgerüstet, waren aber nur die astronomischen Uhren erbaut worden, von denen es sehr wenige gab. Rostock besitzt ein besonders schönes Exemplar.
Einmal erfunden und in allgemeinem Gebrauch genommen, sollte nicht mehr viel Zeit vergehen, dass auch an den Türmen anderer mecklenburgischen Stadt- und Dorfkirchen, der städtischen Rathäuser oder fürstlichen Schlösser die Uhren schlugen. Der Nutzen einer Uhr lag für jedermann auf der Hand, denn nach einer öffentlichen Uhr konnten sich alle Bürger gleichermaßen richten, zum Kirchgang, den Markttagen, zu Zusammenkünften der Zünfte, zum Schützenfest usw. Die Erfindung der Uhr war für den Tagesablauf eines jeden sehr nützlich, gleich ob reich oder arm.
Allerdings hatte die Erfindung der Uhr anfangs auch einige Unzulänglichkeiten, die erst im Verlaufe ihrer technischen Geschichte beseitigt wurden. So besaßen die mittelalterlichen Räderuhren einen täglichen Gangfehler von 15-20 Minuten und um 1700 waren es noch 10 Minuten und darüber. Um die Uhr zu korrigieren, richtete der Uhrmacher sie wieder nach dem Stand der Sonne (an der Sonnenuhr) aus. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass heutzutage an vielen mecklenburgischen Kirchen noch Sonnenuhren aus mittelalterlicher Zeit zu finden sind oder sie wurden später noch gebaut (zwischen 1730 und 1766 in Warnemünde, Bützow, Ludwigslust, Kasnevitz und Neuenkirchen auf Rügen, Greifswald oder Grevesmühlen). Die ältesten Sonnenuhren sind wegen ihrer einfachen Gestaltung, oft nur als Ritzungen in Backstein und oft nicht größer als das Klosterformat selbst, schwer zu datieren.
Eine andere Besonderheit der Räderuhren lag in der Ausstattung von Zifferblatt und Zeiger. Oft genügte es, dass die mechanischen Räderuhren nur viertel, halb, drei viertel und voll anzeigten. Es gab auch die großen Uhren mit nur einem Zeiger auf dem Ziffernblatt. Rückte der Zeiger zur ersten Markierung zwischen elf und zwölf, so war es viertel Zwölf, beim zweiten Punkt halb Zwölf, beim dritten Punkt drei viertel und beim vierten Punkt war die volle Stunde erreicht.
In der Regel ging es Bei der Errichtung von Kirch- und Stadtturmuhren etwas schlichter zu als beim Bau der astronomischen Uhr. Am Bau einer Kirchturmuhr waren meist mehrere Gewerke unter Leitung eines geschickten Uhrmachermeisters beteiligt. Die Zeigertafel (Zifferblatt) fertigte der Tischler, der Maler strich sie an. Der Maurer hängte und befestigte die Zeigertafel in Schwindel erregender Höhe an die Wand. Der Zimmermann stellte Zeigerkammer (Uhrkammer) her. Der Schmied fertigte aus Draht Zeiger usw. Zum Schluss (zur Einweihung) wurden von allen Handwerkern und der Gemeinde einige Gulden auf die Uhr vertrunken. In den deutschen Ländern wurden alte Turmuhrenwerke zumeist vernichtet, wenn sie durch neue ersetzt wurden.
Von historischen Uhren, von ihren Herstellern, Kosten usw. gibt es nur wenige Zeugnisse.
Auch schriftliche Geschichten über Uhren sind selten, obgleich sie von Anbeginn die Menschen faszinierten. Herzog Ulrich (regierte 1555-1603) kaufte nach einem überlieferten Rechnungsbuch (1575-1585) von einem Seyermacher „2 buchslin, dar inne sint zwo vrlin (Uhren) inne gewesen, haben aber nicht geschlagen. Darfur geben 27 taller“. Auf seiner Reichstags-Fahrt im Jahr 1582 nach Augsburg führte er eine im Wagen angebrachte Uhr mit Schlagwerk mit. Sie soll umfänglich und kunstvoll gewesen zu sein, erlitt aber häufig Defekte bei der ungefederten, holprigen Fahrt des Reisewagens; schon nach einigen Reisetagen, zu Sangerhausen, musste sie erstmals gebessert werden. Aus den Renterei-Rechnungen lässt sich entnehmen, dass die Uhr von dem Meister Peter Jachenow in Güstrow angefertigt und mit 80 Talern bezahlt wurde und dass sie so oft schlagen sollte, „als man Meilen fahret“. Als die Kutschen am Freitag, den 8. Juni 1582, zu Weißenburg anlangten, wurde wieder einmal am Uhrwerk in der Kutsche gewerkelt. In Augsburg musste die Uhr, nach einer Angabe der Rechnung des dortigen berühmten Uhrmachermeisters Galle Messmer, erneut gereinigt und repariert werden. Vor der Rückreise besserte der besagte Galle Messmer die Uhr durch „Fütterung“ gegen Erschütterung und mit einem künstlerischen Wappen auf, was dem Herzog 12 Gulden kostete.
Die Uhrmacher bildeten insgesamt ein angesehenes Handwerk, schließlich waren sie unersetzbare Spezialisten, die ihre Fähigkeiten der Uhrenentwicklung anpassten und umgekehrt oftmals wichtige Impulse zur Verbesserung des Mechanismus gaben.
Bald gab es nicht nur die großen, monumentalen Uhrwerke, sondern auch kleinere Uhren, die Dank der Erfindung des Pendels nun angefertigt wurden. Die älteste Pendel-Uhr der Welt stammt aus dem Jahr 1667 von Salomon Coster aus Den Haag gebaut, nach dem von Huygens am Weihnachtstag 1656 erkannten Prinzip, wie ein Pendel gleichzeitig ein Uhrwerk regulieren kann, während das Werk das Pendel antreibt. Das Pendelprinzip ermöglichte nicht nur kleinere Uhren sondern sie wurden auch präziser in der Zeitangabe. Und die technische Entwicklung des komplizierten Uhrenwerks ging weiter voran. Die Unruhe mit Spiralfeder war Voraussetzung für den Bau flacher Taschenuhren.
Damit bildeten sich im 17. und 18. Jahrhundert sogenannte Kleinuhrmacher in den Städten heraus, die Wanduhren, Standuhren, Tischuhren, Wecker, Taschenuhren usw. für Haus, Heim und Person herstellen und reparieren konnten. Sie brauchten zu ihrer Arbeit kleinere und feinere Werkzeuge, und ganz wichtig sie benutzten ein Vergrößerungsglas. Für einzelne Bestellwünsche arbeiteten sie oft mit Tischlern, Holz- und Silberdrechslern, Kunststechern, Goldschmieden, Rotschmieden zusammen.
Im Jahr 1800 arbeiteten in Rostock 10 Uhrmachermeister, 1850 waren es neun Meisterbetriebe. Die Uhrmacher verlangten meist ein hohes Lehrgeld und betrieben eine 4-6jährige Lehrausbildung. Das teure Werkzeug musste der Lehrjunge oft selber anschaffen. Lehrjungen und Gesellen lebten in der Regel bis in das 19. Jahrhundert hinein im Meisterhaus.
Autorin: Hannelore Kuna