Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Wollenweber
Wollenweber verarbeiteten tierische und pflanzliche Wolle zu Garn und Geweben. Das Handwerk war von Anbeginn den wachsenden praktischen und technischen Kenntnissen der Weberei unterworfen. Die eher schlichten, auch teils farbenfroh gestalteten Kostümierungen, wie sie heute wieder auf historischen Märkten gezeigt und getragen werden, entsprechen dem Wissen aus Büchern, Kunstwerken von alten Malern oder sie sind den mittelalterlichen Holzskulpturen nachempfunden.
Bekleidung gehörte von jeher zum Grundbedürfnis der Menschen, anfangs war sie mehr zweckmäßig, als Schutz vor den natürlichen Wettereinflüssen, später sollte sie nicht mehr nur nützlich sein, sondern auch gefallen.
Ähnliches gilt für die Wollmaterialien, wurden sie erst grob im Gewirk und naturbelassen verfertigt, änderte sich ihre feinere, weichere oder festere Herstellung in Stückware oder in Ballen mit den technischen Möglichkeiten.
Ungefähr im 13. und 14. Jahrhundert trat in norddeutschen Landen zum Leinenstoff in verschiedenen Qualitäten der feste und wärmende Wollstoff ebenso in verschiedenen Qualitäten hinzu. Eine wichtige Voraussetzung dafür war die Entstehung und Förderung einer einheimischen Schafhaltung, die erst genügend Wolle als unabdingbaren Rohstoff lieferte und ihre Weiterverarbeitung ermöglichte.
Zahlreiche Städte in Mecklenburg beherbergten bald Wollweberämter, deren Mitgliederzahl meist die aller übrigen Zünfte und Ämter übertraf. 1514 erwähnte Monnicke die Wollenweber bei seiner Visitation der mecklenburgischen Städte in 15 von 24 Landstädten.
Die älteste erhaltene Amtsrolle der Rostocker Wollenweber stammt von 1614. Die fertigen Tücher (Stoffe) dieses bodenständigen Gewerbes fanden ihren Absatz wohl vor allem im Lande selber. Weber, die hochwertige ausländische Wolle verwebten und somit edlere Tuchwaren herstellten, waren nicht in allen Städten ansässig, daher wurden hochwertigere Stoffe durch die Kaufleute von weither eingeführt. Anfang des 16. Jahrhunderts trug man u. a. Kleidung von bestem Wolltuch aus Hardewik und aus Haag. In Rostocker Ratskreisen erfreute sich das „Leydesch gewandt“ besonderer Beliebtheit.
Die Wollenweber zu Rostock webten mittelfeine Stoffe in genormten Größen hauptsächlich aus Schafwolle, mitunter von Ziegenhaar und später durch den Überseehandel auch aus Baumwolle. Sie hießen Raschmacher, wenn sie schwere und grobe Wollstoffe ohne zusätzliches Walken fertigten und besaßen in dieser Profession zeitweise ein eigenes Amt.
Allgemein stand den Wollenwebern, Tuchmachern und Raschmachern nicht der Zuschnitt und nie der Handel mit Stoffen zu, dieses war allein nach den alten Rechten und Traditionen den Gewandschneidern gestattet.
In den ältesten Stadtbüchern 1254-1288 von Rostock sind schon 10 Wollenweber und dazu ein Wollkäufer verzeichnet. Der Amtspatron der Wollenweber war der heilige Erasmus. An seinem Ehrentag, den 3. Juni, begingen die Wollenweber eine kirchliche Feier mit anschließendem kräftigem Trinkgelage. Die von den Rostocker Wollenwebern auszurüstende Mannschaft zur Stadtverteidigung betrug 20 Bewaffnete. Um 1653 führten drei Altermänner die Amtsgeschäfte.
In den frühen Jahren nach der Stadtgründung wurde eine Straße nach dem Handwerk benannt, sodass die Wollenweberstraße in der Altstadt erstmals 1283/84 als platea linorum Textorum erwähnt wurde. Die Straße besaß im Mittelalter bei Weitem nicht die heutige Längenausdehnung, die erst in etwa Anfang des 20. Jahrhunderts als zweitgrößte traditionelle Nord-Süd-Achse der Altstadt entstand.
Von 1362 ist die erste Rostocker Wollenweberamtsrolle erhalten. Das Handwerk konnten auch Frauen erlernen und man gestattete ihnen den Zutritt als Meisterin, wofür es festgelegte Regeln gab.
Besonders genaue Vorschriften galten für die Wollenweber und Kleinwandweber (fertigten kleine Stücke) schon nach der ersten Amtsrolle von 1362, da ein Schaden an ihren Erzeugnissen für die Bürger besonders spürbar war. Jedes gefertigte Tuch musste vom Rat begutachtet (Schau) werden. Die Laken (Stücke) der Wollenweber wurden in verschiedenen Qualitäten hergestellt. Die besten und „bretesten Laken" wurden aus guter „Scherwolle“ verfertigt, denn in Rostock war die Verwendung von Raufwolle (vom Fell geschlachteter Schafe) verboten, in Wismar jedoch konnte das dritte Haar Raufwolle sein.
Untersagt wurde zunächst in Rostock die Verwendung von „überseeischer“ Wolle (indische Baumwolle oder aus dem Mittelmeerraum), zu der man Ausgang des Mittelalters noch kein Vertrauen hatte. Erst ab 1815 konnte verstärkt Baumwolle verarbeitet werden, der Staatskalender verzeichnete für Rostock „Kattunscherer“.
Die Größe der Rostocker Laken betrug 32 Ellen in der Länge und 2 Ellen in der Breite und das Gewicht des Tuchs sollte in jeder Werkstatt übereinstimmen. Die zu verkaufenden Stücke mussten mit einem Erkennungssiegel des jeweiligen Meisters versehen sein. Um eine genaue Kontrolle zu gewährleisten, erstellte die Wollweberzunft ein Verzeichnis aller Mitglieder mit ihren Marken.
Ausschlaggebend für die Qualität der gewebten Stoffe war schon die Tierwolle. Da die Schafe terminlich einmal im Jahr, zu Pfingsten (lange und beste Winterwolle) oder zweimal im Jahr, zu Pfingsten und Michaelis (29. September und die kürzere Herbstwolle), geschoren wurden, konnten man sie auch je nach gewünschten Qualitäten erwerben. Meist gab es dafür große Wollmärkte, die wiederum festgelegt waren und woran man sich zuhalten hatte.
Mit dem Vorbereiten der Wolle war es eine eigene Sache. Die Schafwolle musste zunächst nach Güte sortiert, gereinigt, gewaschen, gezaust und gekämmt werden. Dann konnte die Wolle auf dem Spinnrad zum Faden ausgezogen, also gesponnen werden, danach gehaspelt (der Faden wird auf eine bestimmte Länge gebracht) und schließlich wurden zwei oder drei Fäden nochmals miteinander gezwirnt (miteinander verdreht).
Das Spinnrad erfand man etwa um 1530, die erste Spinnmaschine um 1767 in England. Vermutlich stellte der Weber schon damals dafür Hilfskräfte ein. Erst später spezialisierten sich hierfür besondere Berufsgruppen wie Wollschläger, Kämmer oder Garnspinner heraus.
Wichtigstes Arbeitswerkzeug des Wollenwebers war dann der Webstuhl, auf dem das wollene Garn zu Tuch gemacht wurde. Nach seiner Qualität wurde das Garn als Kettgarn oder als Schussgarn (Einschuss) verwendet. Kettgarn spannte der Weber auf dem Webstuhl so auf, dass die Fäden sich wechselseitig durchkreuzten, um den Einschuss zwischen sich aufnehmen zu können.
Auch nach dem Weben waren noch wesentliche Arbeiten zu verrichten, um beispielsweise dem Schneider fertiges Tuch zu liefern. Die am Webstuhl ineinander gewirkten Fäden waren meist zu lose. Sie mussten noch ineinander verfilzt werden, wodurch der Stoff nochmals von Fett, Leim und Schmutzresten reinigt wurde.
Die Prozedur erfolgte durch die Walke im Wasser, mitunter durch Zusatz von Walkerde (tonhaltige Erde) und durch andere handwerkliche Geheimnisse. Ursprünglich wurde das Walken durch Treten mit den Füßen verrichtet, was eine aufwendige und schwere körperliche Arbeit war, die ab dem 14. Jahrhundert durch Mühlentechnik bewerkstelligt wurde. Dafür betrieben die Rostocker Wollenweber ab 15. Jahrhundert eine Walkmühle auf dem Mühlendamm.
Da die Gewebe mit dem Walken meist kleiner wurden und einliefen, mussten die Webstücke auf einem Rahmen wieder eingespannt werden, um ihnen die gewünschte Größe und Form zu geben, und um sie „Fadengleich“ zu machen. Sofern nicht schon der Faden eingefärbt war, wurde nun bei Bedarf das Tuch eingefärbt.
Ende des 18. Jahrhunderts färbten die Wollenweber nicht mehr eigenständig, da in der Seestadt 5 Färbermeister ansässig waren, die sich bestens mit natürlichen Färbemitteln wie Krapp und Waid auskannten.
Um die gewünschte Qualität für die Wollstoffe zu erreichen, geschah abschließend das Rauen, Scheren und Pressen. Das Rauen zum Auflockern des Wollhaares sollte nur nicht mit eisernen Karden (Kamm) geschehen, weil das harte Werkzeug die Fäden zu sehr beansprucht hätten. Findige Weber benutzten die „elastischeren“ Früchte der Kardendiestel (dipsacus fullonum), um das Haar zu schonen.
Für das Scheren der Stoffe bildete sich ein eigenes Handwerk heraus, das sich als Tuchscherer in Textilzentren ansiedelte. Auch in Rostock arbeitete um 1800 ein Tuchscherer (auch genannt der Gewandbereiter). Zu seinen Arbeitsgeräten gehörten Presse, Presspapiere, Schertisch, Scheren und Tuchrahmen in verschiedenen Größen. Der Arbeitsgang sorgte für gleich lange Fäden.
Zum Schluss wurde das Gewebe gepresst, ob naturbelassen oder gefärbt, gab das dem Tuch seinen Glanz.
Mit all diesen abschließenden Arbeitsgängen machten die Wollenweber das Tuch endgültig gebrauchsfähig, es wurde Kaufmannsgut und konnte in den Handel gehen.
Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten in Rostock die Boy-, Fries- und Tuchmacher, insgesamt 13 Meister an der Zahl. Sie hatten sich in den Geweben spezialisiert und den Kundenwünschen angepasst. Boystoff war ein dem Flanell ähnelndes Tuch und Friestuch entstand aus grob gesponnener Wolle, war geköpert, gewalkt, geraut, aber nicht geschert. Im Grunde waren beide Tucharten grobe Stoffe, zu wärmenden Futterstoffen, für Mänteln und Decken geeignet und in der Herstellung preiswert.
Autorin: Hannelore Kuna