Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Der Zirkelschmied war im heutigen Sinne ein Werkzeugmacher, der sich auf Mess-, Bohr- und Schneidwerkzeuge spezialisiert hatte. Die Zirkelschmiede bildete in Rostock wie die Kupferschmiede und Messerschmiede kein eigenes Amt. Vermutlich hatten sich die ersten Handwerker im mittelalterlichen Amt mit anderen Schmiedemeistern verbunden, denn die Eisenschmiedearbeit war die Grundlage ihres Handwerks. Wie jeder Grob- oder Kleinschmied benötigten sie Kohlen, Lederschürze, Esse, Amboss, Blasebalg, Feilen, Hammer und Schmiedezange. Dünnes oder dickes Eisen wurde mit der Schmiedezange und Spannring in das heiße Feuer der Esse gehalten und dann hieß es Hämmern, Hämmern …
Insgesamt erforderte die körperliche Mannsarbeit aber beim Ausschmieden große Geschicklichkeit. Im Gesenk wurden Teile geschmiedet, Bohrer beim Schmieden gewunden und die spitzkantigen Teile, sogenannte Zähne, mit einer Dreikantfeile zurechtgeformt, oder mit Hammer und Meißel ausgeschlagen. Der Stahl wurde in Regenwasser oder Öl gehärtet und endlich am Schleifstein blank geschliffen.
Das Meisterstück der Zirkelschmiede bestand in der Fertigung von einem Zirkel, von einem Röhrenbohrer und einer feinen Säge für die Tischler. Die Lehrjahre betrugen bei ihnen drei bis fünf Jahre. Auf jedes Produkt schlug der Meister sein Markenzeichen ein.
Das Hauptprodukt der Zirkelschmiede, der Zirkel, ist seit alters her bekannt und war mit seiner Erfindung unentbehrlich zum Messen, Berechnen, Einteilen, Zeichnen und Bauen. Verschiedenste Varianten wurden gefertigt wie: der Stechzirkel, der Greifzirkel oder der Stangenzirkel. Mit der Zeichnung von Seekarten wurde beispielsweise der Stechzirkel ein notwendiges Arbeitsgerät der seemännischen Navigation und zum wichtigen Arbeitsgerät der Kapitäne.
Für die verschiedensten Hölzer als grundlegendes Baumaterial fertigten die Handwerker den eisernen „Scharnierzirkel“ an, der aus zwei Schenkeln in Eisen und mit verstählten Spitzen bestand. In Fällen, wo solche Zirkel von bedeutender Größe gebraucht wurden, wie beim Mühlen- und Maschinenbau, machte man die Schenkel aus Holz, und nur die Spitzen von Eisen oder Stahl. Für diesen Fall wurde die Einstellung der Spitzen mittels einer Schraube ermöglicht, die zugleich eine feste Stellung sicherte.
Außer Zirkel fertigte der Zirkelschmied auch andere Werkzeuge und allerlei Hausgerät an, weshalb man ihn auch im Laufe der Zeit den Zeugschmied nannte. Aus seiner Werkstatt kamen Bohrer, Sägen, Stemmeisen, Hämmer und Zangen für Handwerkerschaft. Insbesondere die Bau- und Schiffszimmerleute, Tischler, Drechsler und die Brunnenbauer waren auf die verschiedensten Sägen und Bohrer angewiesen. Die „Zimmersäge“ im 18. Jahrhundert, zeichnete sich dadurch aus, dass immer zwei Zähne zueinander näher standen als der Abstand zum dritten Sägezahn war. Die größte Säge für dieses Baugewerk war die Schrotsäge, zum Teilen von großen Blöcken, die auch immer zu zweit gezogen wurde. Die Sägen für den Zimmermann wurden in Rostock meist aus schwedischem Eisen geschmiedet, was ihre Robustheit und Schärfe garantierte. Bei den Tischlersägen dagegen war der Abstand der Zähne zueinander immer gleich. Am Ende hatte das Blatt zwei Ohren zur Befestigung an den Holzgriffen.
Für andere und kleinere Sägen hielt sich der Zirkelschmied zunächst an den Schwertfeger zu Rostock, der Degen und Säbel anfertigte. Oder, er erwarb einen alten Degen von den Witwen, die die Hinterlassenschaft ihres Mannes zu barer Münze umsetzten. Mancher Student, der die Universität verließ, bot seinen Degen auch zum Verkauf an. Zwar hatte man den Studenten bereits 1568 das Tragen von Säbeln verboten, doch nicht jeder Studiosis hielt sich daran. Jedenfalls wurden alte Degen in ihrer Rohform zum Ausgangsmaterial zur Fertigung von Sägen bevorzugt verwendet. Eine Neuschmiedung des Materials von Grund auf für ein Werkzeug erhöhte die Preise erheblich. Der Zirkelschmied musste auch ein tüchtiger Geschäftsmann sein. Alte Degen und Säbelklingen bestanden aus gutem Stahl und waren schon stark ausgeschmiedet. Dennoch erforderte die Weiterverarbeitung einigen technischen Aufwand. Wohl etwa an die dreißig Mal, immer rot-warm geglüht, musste das Blatt wieder und wieder in die Esse, um unter tüchtigen Hämmerschlägen geschmiedet zu werden. Erst durch den anhaltenden Schmiedeprozess kam das entsprechende dünne Blatt für eine Säge mit der Angel zustande. Zum Schluss erhielt die Angel ein Loch, damit das Sägeblatt mittelst eines Stifts im hölzernen Griff festgemacht werden konnte.
Dann wurde das Blatt maßgerecht- und gerade geschnitten, geschliffen und poliert. Schließlich kam die wichtigste Arbeit an die Reihe, die Herstellung der Sägezähne. Mit kleinen dreikantigen Feilen wurden die Zähne aus dem Blatt herausgefeilt. Dabei sollten die Zähne möglichst gleichmäßig und scharfkantig stehen. Die Meister wussten so manchen Kniff um die Sägezähne qualitativ gut anzufertigen. Baumsägen und Hirschhornsägen gab es mit Bügel. Das Nachschärfen von stumpf gewordenen Sägen gehörte auch zu seinen Aufgaben und brachte manches Kleingeld ein.
Zum breiten Sortiment der Zeugmacher gehörten die verschiedensten Bohrer. Hier war ebenfalls geschickte Arbeit gefragt. Die Bohrerwindung wurde beim Schmieden erzeugt und im kalten Zustand nachgefeilt, um den Windungen die Schnittschärfe zu geben. Die Spitze musste genau in der Mitte zu stehen kommen und am Ende wurde er breit geklopft für die Aufnahme des Ringes, eines Griffs usw. Für den Hausbau und den Holzschiffbau wurden Bohrer gefertigt von etwa dreieinhalb Fuß (1,05 m) Länge. Die beachtliche Bohrlänge war erforderlich um die Zapfen und Balken mit einander zu verbinden, was meist mit Holznägeln geschah, als hauptsächlichste Verbindungsart. Allein zwei Sparren im Dachstuhl miteinander zu befestigen, konnte eine Lochlänge von etwa 40 cm erfordern.
Eine andere ebenfalls mächtige Art von Bohrern, lange Hohlbohrer in verschiedenen Größen, benötigten die Pumpenbauer, um eine Röhre zur Wasserquelle anzulegen. Die Bohrer für die Rade- und Stellmacher dagegen waren viel kleiner, an der Spitze rund und hohl für die bessere Bohrung der Narbe. In Mecklenburg erhielten diese Bohrer mit „Näben“ ihren plattdeutschen Namen. Mit runder Spitze wurden auch Drechslerbohrer gefertigt, aber gänzlich ohne Windung.
Im Jahr 1800 arbeiteten in Rostock noch 30 Schlosser und Hufschmiede, worunter vermutlich noch der Zirkel- beziehungsweise der Zeugschmied aufzufinden war. Im 19. Jahrhundert wurde diese alte handwerkliche Arbeit durch den Einsatz von Werkzeugmaschinen in der Fabrikproduktion ersetzt.
Autorin: Hannelore Kuna.